NRW SPD-Fraktionsvorsitz: Börschel macht Kutschaty Konkurrenz

Nach der Bundestagswahl dürfte die Frage um den Fraktionsvorsitz der SPD in NRW neue Fahrt aufnehmen. Ex-Minister Kutschaty erwächst echte Konkurrenz: Martin Börschel.

Düsseldorf. Jeden Freitag lädt die SPD im NRW-Landtag seit Wochen zum Pressegespräch. Der Ablauf ist immer ähnlich: Einer der acht stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gibt sich jeweils die Ehre. Jeder mit seinen Fachthemen, jeder bemüht, einen Stich zu landen.

Denn auch wenn es der SPD um grundsätzliche Regeneration nach dem unerwarteten Wahldesaster und eine Neuordnung der Zuständigkeiten geht: Es geht zugleich auch darum, jene Kandidaten zu präsentieren, die in wenigen Monaten für die Nachfolge von Fraktionschef Norbert Römer in Frage kommen. Römer, seit 2010 im Amt, will spätestens im kommenden Frühjahr oder früher Platz machen. Viele in der Partei ätzen noch heute, er hätte das besser gleich nach der Wahlniederlage machen sollen.

Nach und nach ordnen sich die Reihen. Bislang hat allein Ex-Justizminister Thomas Kutschaty (49) öffentlich leise und intern lauter Anspruch auf Römers Nachfolge erhoben. Der Essener gilt als der wahrscheinlichste Nachfolger des Herners Römer. Kutschaty hätte dann ein Amt, aus dem heraus er später den Parteivorsitz und zur nächsten Landtagswahl 2022 für die SPD auch auf den Posten des Ministerpräsidenten schielen könnte. Es ist ja für Sozialdemokraten nur schwer vorstellbar, dass die feindliche Übernahme der Regierungsgewalt durch CDU und FDP länger dauern könnte als eine Legislaturperiode.

Aber: Kutschaty ist längst nicht bei allen der Favorit. Ruhig, zielstrebig, ergebnisorientiert, bisweilen auch pragmatisch und wenig dogmatisch — das ist nicht jedermanns Sache. Auch die Affäre Hinz in der Essener SPD beschädigte den Essener SPD-Chef. Und auch Römer gilt nicht als Anhänger Kutschatys. Nicht nur, weil der sein Interesse auf den Fraktionsvorsitz angemeldet hatte, ohne Rücksprache zu nehmen.

Von Römer hieß es, er wolle den Parlamentarischen Geschäftsführer Marc Herter ins Fraktionschef-Amt bringen. Beide stammen aus dem mächtigen SPD-Bezirk Westliches Westfalen, beide sind Bestandteil der alten Kraft-Machtachse, die heute nur noch wenig Zuneigung erfährt. Und so rumort es weiter: Herter gilt als rhetorisch hoch begabt, aber nicht als beliebt. Insider sagen, auf den Fraktionsvorsitz habe er keine Chance.

So hat sich im Schatten von Kutschaty und Herter einer positioniert, mit dem man lange nicht mehr gerechnet hatte: Der Kölner Jurist und Stadtpolitiker Martin Börschel (44), Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses im Landtag. Auch dessen Weg hat viel mit Hannelore Kraft zu tun. Spricht man mit Börschel, bekommt man eine Ahnung davon, wie sehr sich die Partei von der Landesmutter abhängig gemacht haben muss.

Börschels landespolitische Karriere war schon Geschichte, als er als finanzpolitischer Sprecher der SPD 2014 zurücktrat. Sein Grund: Die rot-grüne Regierung hatte gerade die Grunderwerbsteuer erhöht und der Fraktion das längst beschlossene Modell viel zu spät vorgelegt. Ein Affront für Börschel. Für ihn war das Vorgehen die typische Methode Kraft: Die Fraktion schien ihr nicht wichtig zu sein, Meinungsvielfalt wurde nicht gefordert und gefördert. Das wollte der Mann, der ein Jahr später bei der Kölner Bürgermeisterwahl Jochen Ott den Vorzug ließ, um den in einen aussichtslosen Kampf gegen die parteilose Henriette Reker zu schicken, nicht mehr mitmachen. Börschel fiel also seinerzeit ziemlich bewusst in Ungnade. Und musste davon ausgehen, dass dieser Status lange anhält — immerhin sprach lange nicht viel dafür, dass Kraft abgelöst wird.

Jetzt kann ihm die andauernde Ferne zum Kraft-Lager zusammen mit seinen Fähigkeiten als fleißiger Sachpolitiker und guter Rhetoriker zum Vorteil gereichen. Es heißt, der Mann aus dem Rheinland finde auch im Ruhrgebietslager der SPD immer mehr Freunde. Dabei legt es Börschel viel weniger als die Vorgenannten auf den Posten an. Er sei ganz zufrieden, wie die Dinge laufen, ließ er glaubwürdig verlauten. Und doch glauben viele Sozialdemokraten, in diesem Fall könne das Amt zum Manne kommen — und nicht umgekehrt

Dass Börschel Expertise in Finanzfragen hat, könnte ihm in Zeiten, in denen die Regierung just mit Haushaltspolitik zu kämpfen hat, helfen. Börschel war es, der vor Tagen die ersten Oppositionserfolge vorantrieb: Erst setzte er die neue Regierung in Fragen des Haushaltes unter Druck. Dann forderte er als SPD-Zuständiger für Medienpolitik zusammen mit Römer gerade noch rechtzeitig die Absetzung Stephan Holthoff-Pförtners als Medienminister — zwei Tage später folgte Laschet.

Dass Börschel mit dem überraschend fidelen Parteichef Groschek zusammen ein neues Duo für eine neue Struktur bilden könnte, dafür scheinen sich immer mehr in der Partei erwärmen zu können. Beide werden eher dem linken SPD-Lager zugerechnet, das derzeit durchaus Konjunktur in der Partei hat. Und Groschek hatte im Interview mit unserer Zeitung den Gang der Dinge angekündigt: Nach der Bundestagswahl folge eine Generalinventur der organisatorischen Aufstellung. Dabei wolle Groschek auch erfolgreiche SPD-Kommunalpolitiker einbinden und Talente „scouten“. Vielleicht hat er mit Börschel schon eines gefunden.

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