No-Go-Areas Problemviertel: NRW-Innenminister Reul erwägt Schutzwesten auch für Rettungskräfte

Angesichts wachsender Aggression gegen Hilfskräfte hält die Feuerwehr-Gewerkschaft einen solchen Schutz für sinnvoll.

Polizisten tragen im Einsatz bereits jetzt oft Schutzwesten (Archivbild).

Polizisten tragen im Einsatz bereits jetzt oft Schutzwesten (Archivbild).

Foto: dpa

Düsseldorf. Nach den in der Silvesternacht bundesweit registrierten Übergriffen auf Rettungskräfte wird darüber nachgedacht, auch Feuerwehrleute oder Sanitäter mit Schutzwesten auszustatten. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte gegenüber unserer Zeitung: „Übergriffe auf Rettungskräfte sind eklatante Rechtsverstöße. Da darf nicht so getan werden, als gehe es um Kavaliersdelikte. Deshalb müssen wir über alle Mittel nachdenken, die geeignet sind, gerade unsere ehrenamtlichen Retter zu schützen. Dazu können auch Schutzwesten gehören.“ Der Minister sagte aber auch: „Eine flächendeckende Ausstattung der Feuerwehren und Rettungsdienste mit solchen Westen ist aber weder sinnvoll noch geplant.“

Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft ist durchaus der Auffassung, dass Schutzwesten sinnvoll sein können. Bundessprecher Tobias Thiele: „Wir begrüßen alle Möglichkeiten, die uns besser schützen.“ Das Tragen der Weste dürfe dann aber nicht zu weiterer Provokation von Angreifern führen, daher solle sie unter der Einsatzkleidung getragen werden. Auch für Andreas Jedamzik, stellvertretender Vorsitzender des NRW-Verbands der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft, käme eine solche Schutzweste durchaus in Frage. „Das müsste aber jedem Kollegen freigestellt sein“, betont er. Es wäre gut, wenn der Dienstherr solche Westen, die derzeit getestet würden, zur Verfügung stelle. Es dürften keinesfalls so schwere Westen sein wie sie die Polizei habe, „sonst kann man doch keinen Patienten reanimieren“.

Zwar gehören Stich- oder Schussverletzungen eher zur Ausnahme bei den Übergriffen, mit denen Hilfskräfte konfrontiert sind. Doch könnten sie laut den Feuerwehrgewerkschaftern in heiklen Einsätzen vielleicht doch Sicherheit geben. Jedamzik betont, dass er und seine Kollegen immer wieder mit einem Gefühl der Unsicherheit in Einsätze gehen. „Es gibt Problembezirke, da haben wir als Feuerwehr die Dienstanweisung, in gewisse Häuser erst dann reinzugehen, wenn die Polizei dabei ist“, sagt der Dortmunder.

Fast jeder Notfallsanitäter und Rettungsassistent wurde schon einmal im Einsatz angegriffen. Nach einer Studie der Ruhr-Universität Bochum, über die der „Spiegel“ berichtet, gaben 91 Prozent der Befragten aus diesen Berufen an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate Opfer verbaler oder körperlicher Gewalt geworden zu sein. Auch 88 Prozent der Feuerwehrleute im Rettungsdienst wurden bereits attackiert, ebenso 81 Prozent der Rettungssanitäter und 80 Prozent der Notärzte. Der Leiter der Studie, Thomas Feltes, sagte, die Angriffe gegen Einsatzkräfte seien in den vergangenen Jahren brutaler geworden. Der Respekt nehme ab. Der Kriminologieprofessor macht fehlende Empathiefähigkeit dafür verantwortlich, die wiederum aus der Perspektivlosigkeit der Täter herrühre. In den meisten Fällen seien die Täter betrunken, 40 Prozent seien nach Schilderung der Opfer Einwanderer. Das Bundeskriminalamt registrierte im Jahr 2016 rund 1830 Straftaten gegen Rettungsdienste und Feuerwehren.

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