Pflegeheime in NRW sind teurer, aber nicht besser

Laut einer Studie fallen pro Jahr rund 460 Millionen Euro mehr an als in vergleichbaren Bundesländern.

Düsseldorf. In Nordrhein-Westfalen ist eine Debatte um die Kosten der Pflegeheime entbrannt. Grund ist eine Studie im Auftrag des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums, wonach die Einrichtungen im Land überdurchschnittlich teuer sind. Die Gesamtkosten liegen pro Jahr um bis zu 460 Millionen Euro über denen vergleichbarer Bundesländer.

Monatlich kostet ein Heimplatz nach Angaben des Ministeriums durchschnittlich rund 2900 Euro und damit etwa 300 Euro mehr als im bundesweiten Durchschnitt. Mit dem Geld finanziert werden die Kosten für die Pflege der Senioren, Unterkunft und Verpflegung sowie anteilig die Investitionskosten.

Für die Studie hatten die Gutachter die Kostenstrukturen im Land mit denen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz verglichen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die NRW-Heime im Schnitt zehn Prozent teurer sind als in den anderen Ländern, was rund 7,50 Euro pro Tag ausmacht. Im Vergleich zu Niedersachsen liegen die Kosten sogar um rund 20 Prozent höher. Bis zu 70 Prozent der Preisdifferenz führen die Gutachter auf höhere Personalkosten zurück.

Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte Konsequenzen aus der Studie an. So sollen die Abschreibungszeiträume von Heimen im kommenden Frühjahr verändert werden. Der Minister betonte zugleich: "Ich will keine Billigpflege, sondern hohe Qualität." Den Kostenanteil, der durch das Personal entstehe, werde er daher "vehement verteidigen".

Das Ministerium führte allerdings Gespräche mit den Spitzenverbänden der Kommunen und der freien Wohlfahrtspflege, da es in den Pflegesatzverhandlungen mit den Kassen Möglichkeiten zu Kostenkorrekturen sieht. Der Städte- und Gemeindebund NRW zeigte sich im Gespräch mit unserer Zeitung offen für Änderungen.

Kritik kam dagegen von der Caritas und der AOK Rheinland/Hamburg. Eine AOK-Sprecherin betonte, dass die Qualität der Pflege in NRW besser sei als im Vergleich zu anderen Ländern. Daher seien die Mehrkosten berechtigt.

Einrichtungen In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 2000 Alten- und Pflegeheime.

Betroffene In Heimen werden derzeit rund 130000 Menschen versorgt. Insgesamt gelten knapp 458000 Menschen im Land als pflegebedürftig. Die Zahl wird im Zuge des demografischen Wandels weiter steigen: Bereits in 25 Jahren wird ein Drittel der nordrhein-westfälischen Bevölkerung älter als 60 sein.

Die Debatte ist ungewohnt. Ging es bislang vor allem um die Qualität der Pflege älterer Menschen, so wirft die Studie im Auftrag des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums eine ganz neue Frage auf: Wie teuer darf gute Pflege sein? Oder besser: Wie teuer muss sie sein?

Wenn man sich die Zahlen der Gutachter anschaut, dann ist die Frage berechtigt. Denn in Nordrhein-Westfalen fällt pro Jahr fast eine halbe Milliarde Euro an Mehrkosten im Vergleich zu anderen Bundesländern an. Und diese Mehrkosten gehen zu Lasten von Bewohnern, Kassen und damit aller Menschen, die in die Pflegeversicherung einzahlen. Die Studie schafft Transparenz in einem Bereich, der für die Betroffenen und Angehörigen oftmals ein Buch mit sieben Siegeln ist. Sie sind auf Heime angewiesen und zahlen dafür jeden Preis.

Nun aber einfach nach schnellen Kostensenkungen zu rufen, ist der falsche Weg. Im Vordergrund müssen die Qualität der Pflege und das Wohl der Pflegebedürftigen sowie der Pflegenden stehen. Es geht - auch wenn es kalt klingen mag - um ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wenn Mehrkosten sich durch mehr und besser ausgebildetes Personal und eine gute Bezahlung begründen lassen, dann ist das gut so. Pflegebedürftige brauchen gut qualifizierte, mit ihren Arbeitsbedingungen zufriedene Menschen, die nicht nur die drei "s" - satt, sicher, sauber - garantieren, sondern die Zeit für sie haben, ihnen Wärme geben. Darauf sind insbesondere Demenzkranke angewiesen, deren Zahl in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

Allerdings sind Kosteneinsparungen kein Tabu, wenn sie sinnvoll sind. So brauchen Pflegebedürftige sicherlich keine Prachtbauten mit Designermöbeln - auch wenn Kommunen sich gerne damit schmücken.

Viel wichtiger ist aber, nachzuhalten, ob das Geld auch wirklich bei den Menschen ankommt und nicht in Bürokratie, Missmanagement oder überzogenem Gewinnstreben versickert. Hier helfen keine Diskussionen über Pflegeverhandlungen, sondern nur häufigere und prinzipiell unangekündigte Kontrollen, die Veröffentlichung von Pflegeberichten und eine bessere Information der Angehörigen. Dies muss die Politik endlich - auch gegen den Widerstand der Pflege-Lobby - durchsetzen.

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