NRW-Vorsitzender Özcan: „Ditib gehört zu Deutschland“

Ersin Özcan, NRW-Vorsitzender des Verbands, über die Spitzelvorwürfe, den Einfluss der türkischen Religionsbehörde und Ideen für eine neue Verbandsstruktur.

NRW-Vorsitzender Özcan: „Ditib gehört zu Deutschland“
Foto: Ekkehard Rüger

Wuppertal. Das Gebäude der Wuppertaler Stadtwerke an der Bromberger Straße in Barmen. Hier hat Ersin Özcan seinen Arbeitsplatz im Bereich Energie und Wasser. Aber in seiner Freizeit widmet sich der 40-Jährige den Moscheevereinen des türkisch-islamischen Dachverbands Ditib, dessen Landesvorsitzender er ist.

Herr Özcan, Schulministerin Sylvia Löhrmann hat gefordert, die Ditib solle ihren Sitz im Beirat für den islamischen Religionsunterricht ruhen lassen und sich innerhalb von zwei Wochen erklären. Hat es inzwischen Kontakt zum Ministerium gegeben?

Ersin Özcan: Wir haben zu den beiden Ministerien von Herrn Schmeltzer (Integrationsminister; Red) und Frau Löhrmann Kontakt aufgenommen. Derzeit besprechen wir das Thema noch zwischen Landes- und Bundesverband. In den nächsten Tagen wird es eine Stellungnahme dazu geben.

Ist es denn denkbar, dass die Ditib den Sitz ruhen lässt?

Özcan: Das kann man sich alles vorstellen. Aber wir müssen auch abwarten, was die Untersuchungen ergeben.

Nun macht die Ditib-Erklärung vom Freitag ja den Eindruck, als sei die Aufklärung durch die türkische Religionsbehörde Diyanet abgeschlossen. Sehen Sie das auch so?

Özcan: Das Thema wird erst beendet sein, wenn der Generalbundesanwalt seine Ermittlungen abgeschlossen hat. Ditib und Diyanet werden ihren Beitrag dazu leisten.

Wie groß ist der Einfluss der türkischen Religionsbehörde auf die Ditib?

Özcan: Ich bin seit zwölf Jahren Vorstand einer Ditib-Gemeinde in Wuppertal. Und in der ganzen Zeit hat es keinen Fall gegeben, in dem unser Imam freitags, bei Festtagspredigten oder sonntags, wenn wir bis zu 200 Besucher haben, über Politik gesprochen hat. Wir reden über eine Handvoll Imame, die im Verdacht stehen, Informationen über Gülen-Anhänger weitergegeben zu haben. Aber wir haben bundesweit fast tausend Moscheegemeinden. Wir wollen uns von der Diyanet nicht lösen, sondern arbeiten als Verein auf freiwilliger Basis mit der Diyanet zusammen. Das ist eine Partnerschaft.

Aber gerade die steht jetzt in der Kritik.

Özcan: Seit bald 35 Jahren haben wir mit dieser Partnerschaft gute Erfahrungen auch für die Integration in Deutschland und gegen Radikalismus gemacht. Aber seit Monaten wird nur noch über die Spitzelvorwürfe geredet, und alles Gute aus den 35 Jahren wird unter den Teppich gekehrt.

Die Ditib-Imame kommen aber aus der Türkei und werden von dort bezahlt.

Özcan: Das ist so. Aber die Ditib wurde in meinem Heimatland Deutschland gegründet und wir stehen zum deutschen Staat. Und wenn es solche Imame gegeben hat, die spioniert haben, dann müssen sie bestraft werden. Wir stehen gerade in Gesprächen mit unserem Bundesverband, um auch strukturelle Veränderungen vorzunehmen.

Was heißt das?

Özcan: Wir haben unter dem Dach der Ditib einen Frauen- und einen Jugendverband und auch einen Elternbeirat. Diese Verbände sollen künftig im Vorstand vertreten sein, und wir wollen, dass auch mehr Menschen von der Basis in den Ortsvereinen im Bundesvorstand sitzen und die Landesverbände größeren Einfluss haben. Dazu brauchen wir eine Satzungsänderung. Das soll auf der nächsten Mitgliederversammlung geschehen.

Eine strukturelle Trennung von der Diyanet ist für Sie undenkbar?

Özcan: Strukturelle Trennung heißt, dass Ditib-Vorstände auch aus den Landesverbänden kommen. Das ist unser Ziel. Den deutschen Katholiken sagt man aber auch nicht, dass sie nicht ausüben dürfen, was vom Vatikan kommt. Wir Migranten in Deutschland haben den Markennamen Ditib aufgebaut und dafür stehen wir gerade. Wer Unrecht getan hat, den soll man bestrafen. Aber nicht alle anderen.

Aber ist nicht der Konflikt in der Türkei nach dem Putschversuch auch in die Ditib-Gemeinden getragen worden?

Özcan: Wir können nicht so tun, als wäre das nicht geschehen. Verwandte von uns leben in der Türkei, und in den Gemeinden redet man darüber. Aber zu Ditib-Gemeinden kann jeder kommen. Ein Gülen-Anhänger hat bei uns den Gebetsruf gemacht. Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr im Vorstand. Das ist mein Herz und meine Seele. Darum sind wir derzeit so empfindlich, wenn immer nur kritisch über die Ditib berichtet wird. Wenn in den vergangenen 35 Jahren nur ein Drittel so viel über die Ditib und ihre Arbeit berichtet worden wäre wie in den vergangenen Monaten, dann hätten wir die Probleme heute nicht.

Was meinen Sie damit?

Özcan: Ditib gehört zu Deutschland. Derzeit hört man überall, Gespräche sollten beendet werden und die Zusammenarbeit solle ruhen. Da müssen wir gegensteuern. Ich arbeite bei den Stadtwerken mit über 3000 Menschen zusammen. Da ist ein Hans dabei und eine Annemarie, ein Achmed und ein Mustafa. Und wir leben friedlich zusammen. Mich verletzt sehr, dass meine ehrenamtliche Zeit, die ich Familie und Freunden stehle, wegen einer Handvoll Imame so in den Schmutz gezogen wird.

Hat die Ditib nicht durch ihr Kommunikationsverhalten auch dazu beigetragen?

Özcan: Dass wir zu lange abgewartet und nur reagiert haben, statt zu agieren, war sicher ein Fehler.

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