FDP-Fraktionsvorsitz im NRW-Landtag Lindner-Nachfolger Christof Rasche: „In große Fußstapfen getreten“

Vor acht Monaten hat Christof Rasche von Christian Lindner den FDP-Fraktionsvorsitz im NRW-Landtag übernommen. Ein Gespräch über Arbeit, Polizeigesetz und die Diesel-Affäre.

FDP-Fraktionsvorsitz im NRW-Landtag: Lindner-Nachfolger Christof Rasche: „In große Fußstapfen getreten“
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Schwarz-Gelb regiert seit einem Jahr in NRW - mit drei FDP-Ministern: Joachim Stamp (Kinder, Familie, Flüchtlinge, Integration), Yvonne Gebauer (Schule) und Andreas Pinkwart (Wirtschaft). Früher, zu Oppositionszeiten, hieß der Fraktionschef Christian Lindner. Jetzt steht Christof Rasche an der Spitze der 28-köpfigen Fraktion - und verzichtete dafür auf die geplante Bundestagskandidatur. Der 56-Jährige aus Erwitte (Kreis Soest) ist zwar ein Lindner-Vertrauter, aber ein ganz anderer Typ.

Herr Rasche, als Christian Lindner noch in Düsseldorf war, stand die FDP mehr im Fokus. Vermissen Sie ihn?

Christof Rasche: Natürlich sind das große Fußstapfen, in die ich getreten bin. Was mir jetzt öfter fehlt, ist der persönliche Austausch mit meinem Freund Christian Lindner. Meine Aufgabe ist es nicht, medial auf die Pauke zu hauen, wie das Christian Lindner als Oppositionspolitiker tun musste. Zu mir passt eher die Rolle, die eigene Fraktion zusammenzuhalten, und das im Zusammenspiel mit unserem Regierungspartner CDU.

Aber gibt es nicht auch eine gewisse Erleichterung, dass sich die Aufmerksamkeit jetzt nicht mehr nur auf einen konzentriert?

Rasche: Erleichterung ist das falsche Wort. Es war großartig, dass wir ihn hier hatten. Ich finde aber, dass es uns gut gelungen ist, die Aufgaben auf unsere drei Minister und auch auf meine Schultern als Fraktionsvorsitzender zu verteilen.

Sie sind nebenher auch immer noch Partei- und Fraktionsvorsitzender im Rat in der Stadt Erwitte.

Rasche: Andere spielen Tennis oder Golf, mein Hobby ist die Kommunalpolitik. Dieser Austausch mit der Politik vor Ort ist für einen Landespolitiker enorm wichtig.

Der Koalitionsausschuss soll Probleme zwischen den Partnern ausräumen. Wie oft treffen Sie sich im Kreis mit Armin Laschet, Bodo Löttgen, Lutz Lienenkämper, Joachim Stamp und Andreas Pinkwart?

Rasche: Wir diskutieren ein bis zwei Mal im Monat, wie wir uns strategisch aufstellen.

Wurde da auch über den Fall Schulze Föcking geredet?

Rasche: Wir sprechen auf Augenhöhe über alle relevanten Themen. Ich hoffe, dass dieses gute Miteinander in der Koalition so bleibt, damit wir unsere langfristig angelegten Projekte über zwei Legislaturperioden weiterverfolgen können.

Also kein Gremium der Dauerstreitschlichtung?

Rasche: Als FDP müssen wir uns profilieren, aber nicht zu Lasten des Koalitionspartners. Da gibt es genug Ansatzpunkte gegenüber der Opposition. Ein solches Selbstverständnis ist ganz wichtig.

Zur Opposition: Ist der steile Abstieg der SPD für die FDP nur Grund zum Jubeln oder auch eine Gefahr für das demokratische Spektrum?

Rasche: Eine stark aufgestellte SPD ist wichtig für die Demokratie in Deutschland. Was die Partei im Moment erlebt, ist aber ein selbst verursachter Abwärtstrend. Und es liegt an der SPD, diesen Trend wieder umzukehren. Man weiß nicht so genau, wofür sie steht. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass Hannelore Kraft sich in ihrer Regierungszeit oft nicht auf die Seite ihrer starken Minister Garrelt Duin, Norbert Walter-Borjans und Michael Groschek geschlagen hat, sondern im Zweifel auf die Seite des grünen Koalitionspartners. Da fand sich auch die Parteibasis nicht mehr wieder.

Kann der neue SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty die Partei wieder nach vorn bringen?

Rasche: Ich schätze Herrn Kutschaty. Wie er jetzt aber bei dem beantragten Untersuchungsausschuss im Fall Schulze Föcking vorgeht, das ist schon sehr aufgebauscht. Wenn man das etwa mit Untersuchungsausschüssen zur Kölner Silvesternacht oder dem Fall Amri vergleicht. Dass Kutschaty sich auf diesen Weg begibt, wundert mich. Auch die Grünen verhalten sich widersprüchlich: In Berlin sträuben sie sich, einen Untersuchungsausschuss bei dem wichtigen Thema um die dubiosen Asylgewährungen durch das Bamf mitzutragen, und hier machen sie so ein Fass auf.

Weil Schwarz-Gelb so wenige Angriffspunkte bietet?

Rasche: Möglich. Es ist ja so, dass wir mit Augenmaß handeln, und nicht überziehen wie früher Schulministerin Sylvia Löhrmann oder Umweltminister Johannes Remmel in ihren Bereichen. Dazu kommt, dass die FDP auch soziale Kompetenz hat. Wir machen eine vernünftige Sozialpolitik, haben uns zum Beispiel in den Haushaltsberatungen dafür engagiert, mehr Mittel in den Verbraucherschutz, die Gesundheitsversorgung von Obdachlosen und Betreuungsvereine zu lenken. Auch im Ruhrgebiet kann man sich sozialpolitisch absolut auf die Landesregierung verlassen.

Wie schätzen Sie die Grünen in ihrer neuen Oppositionsrolle ein?

Rasche: Sie haben bei der Landtagswahl mit alten Themen noch einmal ihre alte Stammwählerschaft erreicht. Aber man muss sich doch fragen, wann auch die Grünen ihre Wahlniederlage aufarbeiten und sich überlegen, wie sie sich modern aufstellen wollen.

Wie umgehen mit der AfD?

Rasche: Wir müssen zeigen, dass diese Partei keine konstruktiven Vorschläge zur Bewältigung von Problemen macht. Das kriegen wir nur hin, indem wir die Flüchtlingspolitik verbessern, etwa mit konsequenteren Rückführungen.

Wie erleben Sie die AfD im Landtag?

Rasche: Deren Abgeordnete treten am Rednerpult bewusst aggressiv und provokativ auf, sagen nicht die Wahrheit oder stellen alles extrem einseitig dar. Nicht mit dem Ziel, politisch etwas zu bewirken, sondern um selbst davon zu profitieren. Das hängt einem zum Hals raus.

Und wie geht man damit um?

Rasche: Auch wenn es schwer fällt: ruhig und gelassen. Das ist keine abgesprochene Linie der anderen Parteien, aber genau richtig, weil für mich feststeht: Dieser aggressive AfD-Stil trägt nicht auf Dauer.

Beim geplanten neuen Polizeigesetz trägt die Bürgerrechtspartei FDP die weitergehenden Befugnisse der Polizei mit, darunter auch den neuen Begriff der drohenden Gefahr. Warum?

Rasche: Die Sicherheitslage hat sich verändert, die Terrorgefahr hat sich erhöht. Die FDP nimmt solche veränderten Rahmenbedingungen ernst. Freiheit und Sicherheit hängen untrennbar zusammen — sie müssen in der richtigen Balance stehen.

Die Expertenanhörung zum Polizeigesetz hat gezeigt, dass es neben Zustimmung auch Kritik gibt. Wo könnte der Entwurf noch geändert werden?

Rasche: Ich habe die Expertenanhörung mit Interesse verfolgt und grundsätzliche Unterstützung für den Gesetzentwurf wahrgenommen, aber einige Argumente der Sachverständigen und Gespräche haben mich auch nachdenklich gemacht. Wir werden die Anhörung in Ruhe auswerten und sollten aus meiner Sicht über einige Punkte mit unserem Koalitionspartner noch mal sprechen: über die Dauer des Unterbindungsgewahrsams, die genaue Ausgestaltung der Quellen-TKÜ, den Unterschied zwischen „drohender Gefahr“ und „drohender terroristischer Gefahr“ und über das Tempo des Verfahrens.

Jedenfalls in der äußeren Wahrnehmung hat Ministerpräsident Armin Laschet das Diesel-Thema ganz allein besetzt, als er sich vehement gegen Fahrverbote aussprach. War die FDP bei dieser Marschroute beteiligt?

Rasche: Das geschah in Übereinstimmung mit uns. Die FDP hat das Thema bereits in den Koalitionsgesprächen angesprochen. Bereits vor Regierungsübernahme war ja klar, dass wir auf drohende Fahrverbote in mehr als 20 Kommunen Antworten haben müssen — ganz konkret jetzt in Aachen. Darum haben wir frühzeitig Gegenmaßnamen beschlossen, die das Fahrverbot vermeidbar machen. Einzelne Straßenabschnitte zu sperren, führt zu noch mehr Schadstoffausstoß durch lange Umwege. Wir können die Belastung der Luft anders reduzieren, zum Beispiel durch eine intelligente Ampelschaltung.

Aber für eine Hardwarenachrüstung auf Kosten der Autoindustrie macht sich die schwarz-gelbe Landesregierung nicht stark.

Rasche: Klar ist, dass die Autoindustrie sich beteiligen muss. Bei Hardwarenachrüstungen sind jedoch unterschiedlichste Varianten in der Debatte und werden von Fachleuten unterschiedlich bewertet. Wir können darüber gern mit SPD und Grünen fraktionsübergreifend reden.

Thema Kapazitätserweiterung des Düsseldorfer Flughafens. Wird es dazu kommen?

Rasche: Die Entscheidung liegt im Verantwortungsbereich von Verkehrsminister Hendrik Wüst. Das ist ein gesetzliches Verfahren und noch ist gar nicht klar, ob es in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden kann. Da gibt es keinen politischen Einfluss. Eine Idee wäre ja vielleicht, als Flughafen mit den Nachbarkommunen zu reden: Wir geben euch allen fünf oder sechs Prozent Beteiligung am Flughafen, dann profitiert ihr auch von den wirtschaftlichen Vorteilen des Airports. Die Nachbarkommunen mit ins Boot holen — so würde ich als Flughafenbetreiber vorgehen.

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