Gegenwind aus Duisburg "Jens Spahn würdigt Arbeit von vielen Menschen herab"

Eine Interview-Äußerung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu einer angeblichen Rechtlosigkeit in Arbeitervierteln „in Essen, Duisburg oder Berlin“ stößt auf massive Kritik.

 Sören Link (SPD) wirft Jens Spahn unter anderem Ahnungslosigkeit vor.

Sören Link (SPD) wirft Jens Spahn unter anderem Ahnungslosigkeit vor.

Foto: Oliver Berg

Duisburg. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) spricht am Donnerstag von „Pauschalurteilen“, die von „Ahnungslosigkeit“ zeugten. „Jens Spahn schürt nicht nur Vorurteile, sondern würdigt mit seinen Äußerungen auch die Arbeit von vielen Menschen vor Ort herab“, sagte Link laut einer Mitteilung.

„Ich finde es ist unverschämt und unwahr, der Polizei zu unterstellen, in bestimmte Viertel nicht mehr zu gehen. Das Gegenteil ist der Fall.“ In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der „Neuen Zürcher Zeitung“ hatte Spahn gesagt, dass der Staat in den vergangenen Jahren nicht ausreichend für Recht und Ordnung gesorgt habe.

Wörtlich sagte der Minister: „Schauen Sie sich doch Arbeiterviertel in Essen, Duisburg oder Berlin an. Da entsteht der Eindruck, dass der Staat gar nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzusetzen.“

Moderat kritisch äußerte sich Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Spahn müsse wissen, „dass Pauschalierungen in der Sache nicht weiterhelfen“, sagte Kufen laut einer Mitteilung. Essen sei eine der sichersten Großstädte in Deutschland. „Das ist auch ein Verdienst der engen Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Stadt.“ Kufen äußerte auch Zustimmung: Keinesfalls dürfe der Eindruck entstehen, der Staat sorge nicht mehr für Recht und Ordnung. „Die Bürger erwarten von Stadt, Land und Bund, dass wir konsequent gegen jede Form von Kriminalität vorgehen. Das beginnt schon beim Kampf gegen wilde Müllkippen oder gegen Vandalismus.“

In der Debatte um „Recht und Ordnung“ in Deutschland sagte zudem NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU): „Die Innere Sicherheit verbessert man nicht mit Interviews und flotten Sprüchen, sondern indem man die Dinge anpackt und ändert.“ Die Landesregierung arbeite „mit Hochdruck“ daran, verlorenes Vertrauen der Bürger in Recht und Ordnung zurückzugewinnen, sagte Reul weiter. „Dafür brauchen wir keine guten Ratschläge von der Bundesregierung.“ Die sei vielmehr eingeladen, zu helfen. „Zum Beispiel, indem sie die Bundespolizisten, die eigentlich in NRW stationiert sind und zeitweilig in Bayern Dienst tun, zurück an unsere Bahnhöfe beordert. Da können wir die Beamten nämlich auch gut gebrauchen.“

FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf Twitter: „Spahn sorgt sich um „Recht und Ordnung“. Ich sorge mich um seine Erinnerung“ - die Union stelle seit 2005 den Bundesinnenminister.

Grüne und Linke warfen Spahn vor, seine eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen. Vom Gesundheitsminister erwarte er, „dass er die Missstände in seinem Verantwortungsbereich anpackt und nicht täglich eine neue Sau durchs Dorf treibt oder sich als Grenzposten profiliert“, schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, auf Twitter.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte, um die Aufgaben eines Ministers für Gesundheit und Pflege kümmere sich gerade keiner. „Der sollte, redet über Grenzen und so“, schrieb sie. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, Spahns Äußerungen zeigten, „wie unernst der angeblich neue pro-europäische Kurs der Bundesregierung gemeint war“. Der CDU-Politiker hatte auch Ungarns rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban für den Schutz der europäischen Außengrenze gelobt. Orban bange um seine Macht, sagte Baerbock, „und sofort ist Rechtsausleger Jens Spahn zur Stelle und leistet Wahlkampfhilfe. Dabei tritt Orban in Ungarn europäische Grundrechte mit Füßen.“

Unterstützung bekam Spahn dagegen aus den Reihen von CDU und CSU. In Bundesländern, in denen die SPD regiere oder lange regiert habe, gebe es „erheblichen Nachholbedarf“ bei der Polizei, sagte CDU-Innenpolitiker Stephan Harbarth der Deutschen Presse-Agentur. „So ist etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Polizeidichte ganz besonders gering.“ Dagegen gebe es „in vielen unionsgeführten Ländern und gerade in Bayern“ eine niedrige Kriminalitätsbelastung und hohe Aufklärungsquoten.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der „Bild“-Zeitung: „In manchen Bundesländern kann man den Eindruck bekommen, dass linke Chaoten eher geschützt als bestraft werden.“ Wenn die Polizei in manchen Bundesländern nur mangelnden politischen Rückhalt genieße, „gibt der Staat einen Hebel zur Rechtsdurchsetzung aus der Hand.“ dpa

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