Interview: Eine Kämpferin für die Opfer

Ex-Ministerin Müller-Piepenkötter führt den Weißen Ring.

Halle. Die ehemalige NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) ist jetzt Bundesvorsitzende des Opferschutz-Vereins Weißer Ring. Sie wurde auf der Bundesdelegiertenversammlung der Organisation in Halle mit überwältigender Mehrheit gewählt. Der Weiße Ring betreibt ein bundesweites Netz mit 420 Anlaufstellen für Kriminalitätsopfer.

Müller-Piepenkötter: Das sehe ich in der Tat so, und deshalb freue ich mich sehr über die Wahl in dieses wichtige Amt. Schon als Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf und dann natürlich als Justizministerin habe ich stets den Opferschutz im Blick gehabt.

Der kommt nämlich in unserem Täter-orientierten Strafrecht leider immer noch oft zu kurz. Während meiner Amtszeit als Ministerin hat deshalb unter anderem eine Expertengruppe Opferschutz Wege für einen besseren Schutz von Opfern von K.o.-Tropfen oder Stalking erarbeitet.

Müller-Piepenkötter: Grundsätzlich müssen wir die Stellung der Opfer in unserer Gesellschaft weiter verbessern. Und das meine ich nicht nur juristisch. Vor allem von Jugendlichen wird derzeit häufig "du Opfer" als Schimpfwort benutzt.

Das zeigt doch, dass da etwas schief läuft in unserer Gesellschaft. Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, mit der die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen einen Gewalttäter abgelehnt wurde, war in Sachen Opferschutz nicht förderlich.

Müller-Piepenkötter: Wir streben vor allem weitere Verbesserungen im Opferentschädigungsrecht an. Wer Gewalt erlebt hat, muss bei Bedarf sofortige Hilfe durch fachkundige Therapeuten erhalten. Auch brauchen wir Informationsoffensiven, damit Opfer ihre Rechte überhaupt kennen.

Darüber hinaus will ich - wie schon als Justizministerin - die Strafrichter sensibilisieren, wesentlich häufiger als bisher sogenannte Adhäsionsverfahren zuzulassen. Dabei können Opfer beantragen, dass ihr erlittener Schaden bereits im Strafprozess gegen die Täter ermittelt und erstattet wird.

Leider lehnen immer noch viele Strafrichter diese Erweiterung des Hauptverfahrens ab, obwohl die zusätzliche Arbeit in den bundesweit geltenden richterlichen Belastungsberechnungen berücksichtigt wird. Die Ablehnung eines solchen Verfahrens verlängert jedoch unnötig die Leidenszeit der Opfer: Sie können ihre erlittenen Schäden dann erst in einem späteren Zivilverfahren geltend machen.

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