„Anne Will“ Hannelore Krafts kuriose Medien-Auftritte

Am Freitag spielte die Ministerpräsidentin bei einem „SPD-Eintritt aus Mitleid“ mit, bei „Anne Will“ überzeugte sie erst nach der Sendung.

„Anne Will“: Hannelore Krafts kuriose Medien-Auftritte
Foto: Monika Skolimowska

Berlin/Köln. Hätte Hannelore Kraft am Sonntagabend bei „Anne Will“ bloß einräumen müssen, dass die Rentenpolitik der SPD in vielen Punkten gescheitert ist, aber wenigstens in einprägsamen Stichworten erklären können, wie das „Nachsteuern“ nun aussehen soll — vielleicht wäre der Talkshow-Auftritt zu ihren Gunsten ausgegangen. Doch dann ergriff Susanne Neumann (56), Putzfrau aus Gelsenkirchen, zum Schluss noch einmal das Wort: „Jetzt kommen wir mal wieder auf den Punkt. Ich kann von meiner Rente nicht leben. Was habe ich verkehrt gemacht? Ich habe immer malocht, ich war nie faul.“

Worauf Hannelore Kraft in der Sendung mit dem Titel „Heute kleiner Lohn, morgen Altersarmut — Versagt der Sozialstaat?“ nach einem langem Diskussions-Ausflug in die Bildungspolitik antwortete: „Das haben wir ja im ersten Teil diskutiert.“

Putzfrau Neumann sagte darauf nur noch: „Ah so.“ Und dann nichts mehr. Symbolisch für so viele, die die SPD nicht mehr erreicht, stand Neumann während der Abspann-Musik wortlos auf und ging.

Zwei Abende zuvor trat Kraft als Statistin in der ZDF „heute show“ auf. Inhalt: Weil die SPD in Umfragen nur noch auf 19,5 Prozent kommt, tritt Comedian Lutz van der Horst in die SPD ein — aus Mitleid. Aber den Aufnahmeantrag sollte dann schon ein Partei-Promi unterschreiben, „der gerade nicht so viel zu tun hat“: Hannelore Kraft.

In dem Gespräch fragte van der Horst, ob er als SPD-Mitglied eigentlich die verlorene Kohle der Riester-Rente zurückbekommt. „Wieso, die wird doch ausbezahlt“, sagte Kraft, worauf der Comedian sich prustend zur Seite drehte. Man habe eine schwierige Situation, so Kraft, da müsse man Veränderungen vornehmen. Weil sie sich so erfolgreich um die Kanzler-Kandidatur gedrückt habe, überreicht van der Horst ihr schließlich zwei Fläschchen „Kleiner Feigling“, garniert mit dem Hinweis: „Und das Tolle ist, der hat sogar mehr Prozente als die SPD.“

Beide TV-Auftritte wirken wohl nicht so katastrophal nach wie das, was SPD-Chef Sigmar Gabriel derzeit so redet, wenn er in eine Kamera spricht. Aber in den beiden Fernsehshows wirkte die „Kümmererin“ Kraft eigenartig hilflos und vage in der Aussage. In der „heute show“, mit deren Moderator Oliver Welke die Ministerpräsidentin gut kann, mag das noch angehen, bei „Anne Will“ jedoch nicht. Zumal Susanne Neumann — seit Jahren als Betriebsrätin und Vorsitzende der Bundesfachgruppe Gebäudereiniger in der IG BAU in den Medien von Frühstücksfernsehen bis Maybrit Illner präsent — wahrlich keine Unbekannte ist.

Den Auftritt bei Anne Will sahen am Sonntagabend 4,05 Millionen Zuschauer — Krafts Triumph nach der Sendung jedoch nicht einmal 700. Auf ihrem Youtube-Kanal, den die Ministerpräsident seit Januar mit ebenso authentischen wie wackeligen Videos aus ihrem Arbeitsalltag bespielt, verkündete sie gestern Mittag, wie nett man nach der Sendung noch geplaudert habe — und dass Susanne Neumann noch am Sonntagabend in die SPD eingetreten sei. Natürlich kann Kraft diese Geschichte einer geglückten Bekehrung jetzt erzählen. Aber 4,05 Millionen haben etwas anderes gesehen.

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