Einwanderung: Partner-Quiz im Ausländeramt

Wenn der Ehepartner keinen deutschen Pass hat, werden die Behörden indiskret.

Wuppertal/Krefeld. Wann hat Ihre Schwiegermutter Geburtstag? Was ist die Lieblings-Fernsehsendung Ihrer Frau? Und wie hoch ist das Einkommen ihres Mannes genau? Das wissen Sie nicht auf Anhieb? Wenn Ihr Ehepartner jetzt keinen deutschen Pass hätte und Ihnen diese Fragen vom Ausländeramt gestellt würden, hätten Sie nun womöglich ein Problem. Sie könnten in den Verdacht geraten, eine Scheinehe zu führen.

So wie Vera Albers*. 2006 hatte die Krefelder Flugbegleiterin in Kenia den 19 Jahre jüngeren Tanzlehrer Charles Masinga geheiratet. Nach der offiziellen Anerkennung der Ehe wollte sie ihren Mann nach Deutschland holen. Doch zuvor mussten sie und ihr Mann zeitgleich einen Fragebogen ausfüllen, der seit einigen Jahren bei den Ausländerbehörden kursiert. Der beinhaltet je nach Amt bis zu 110 Fragen und geht bis in die privatesten Bereiche der Ehe - siehe oben.

Vera Albers füllte den Fragebogen in der Krefelder Ausländerbehörde aus, Charles Masinga in der deutschen Botschaft in Nairobi. Es gab Abweichungen bei den Antworten. Für die Krefelder Behörde hieß der Schluss: Scheinehe.

"Er wusste meine genaue Adresse nicht", erinnert sich Albers an die Indizien, die nach Meinung des Ausländeramtes gegen das Paar sprachen. "Wie sollte er denn auch - er war doch nie hier! Und er kommt aus einem Land, wo die meisten Straßen überhaupt keine Namen haben."

Negativ wurde beiden auch ausgelegt, dass Vera Albers dem Amt einen intimen Kosenamen für ihren Mann verschwieg. Charles Masinga hingegen wusste nicht genau, wie seine Frau ihren Kaffee trinkt. Kleinigkeiten? Für die Behörde zählten sie mehr als Masingas einwandfreies Führungszeugnis und die Tatsache, dass die Flugbegleiterin für ihren Mann finanziell aufkommen könnte. So ist das Paar seit fast zwei Jahren zu einer Ehe auf 7000 Kilometer Distanz gezwungen.

Ein Einzelfall ist das Beispiel Albers-Masinga nicht. Wenn die Ehe im Ausland geschlossen wurde, die Partner keine gemeinsame Sprache sprechen oder der Altersunterschied groß ist, ruft das laut Hiltrud Stöcker-Zafari vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften/IAF schnell die Ausländerbehörde auf den Plan. In der Regel steht Paaren dann ein amtliches Interview oder eben die schriftliche Beantwortung des Fragebogens bevor - um herauszufinden, ob die Ehe tatsächlich gelebt wird.

"Die Untersuchung kann naturgemäß sehr tief ins private Detail gehen", sagt Stöcker-Zafari. Eine einheitliche Vorgabe für alle Ausländerbehörden oder eine Maßgabe, wie der Bogen auszuwerten ist, gibt es aber nicht (siehe Bericht unten). Stattdessen wurde der Fragebogen auch aufgrund von politischem Druck in den vergangenen Jahren immer wieder modifiziert und kursiert nun in unterschiedlichsten Varianten in den deutschen Ämtern.

Für Mussié Mesghinna gehen die Fragen und vor allem die Schlüsse, die daraus gezogen werden, zu weit. Mesghinna leitet den Fachbereich Integration und Migration bei der Krefelder Caritas und hat vergangenes Jahr 930 Beratungsgespräche geführt - bei mindestens einem Viertel ging es um den Fragebogen. "Viele Dinge, die in Mitteleuropa eine große Rolle spielen, sind in anderen Ländern belanglos", sagt Mesghinna. Zum Beispiel der Geburtstag, der hier gefeiert wird, in Afrika aber oft nicht einmal bekannt ist.

Einige Fragen, da ist sich Mesghinna sicher, könnten selbst von Eheleuten, die jahrzehntelang verheiratet sind, nicht übereinstimmend beantwortet werden. "Entweder weil sie zu intim sind oder weil sie in der Beziehung einfach keine Rolle spielen." Zum Beispiel die Höhe der monatlichen Telefonkosten des Ehepartners oder dessen Lieblingsmusik.

"Der Einsatz des Fragebogens ist unverhältnismäßig, weil er die Leute unter Generalverdacht stellt", meint auch Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im NRW-Landtag. Das treffe gerade auf das Krefelder Ausländeramt zu, das ohnehin landesweit für seine restriktive und enge Auslegung der Gesetze bekannt sei. Die Behörde nutzt einfach den Spielraum aus, den ihr die teils vagen rechtlichen Vorgaben lassen.

Betroffene empfinden diese Machtfülle der Behörden als Willkür: "Die können mit einem machen, was sie wollen", sagt Julia Hyseni. Die 26-jährige Wuppertalerin musste ebenfalls lange Befragungen und endlose Ämtergänge hinter sich bringen, bis ihr Mann Besnik im Februar aus dem Kosovo nach Deutschland einreisen durfte - ein halbes Jahr nach der Heirat. "Man ist abhängig von der Laune der Beamten." Ihr Mann ist immerhin per Visum in Deutschland. Vera Albers hingegen muss weiter kämpfen. Sie sagt: "Wenn es um Einwanderung geht, ist unsere Demokratie einen Dreck wert."

*Alle Namen von der Redaktion geändert

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