Das schwere Jahr der Hannelore Kraft

Nach starkem Start und hohen Sympathiewerten zeigen sich die Grenzen von Rot-Grün. Nun sind Steherqualitäten gefragt.

Düsseldorf. Sie musste gedrängt werden, die Minderheitsregierung war nicht Hannelore Krafts Idee. Erst als die Grünen unverhohlen Druck machten und auch vor dem Überlaufen zur CDU nicht mehr zurückschreckten, gab die SPD-Politikerin ihr Einverständnis. Nun ist ihr Name untrennbar mit dem bisher einmaligen Experiment verbunden, ein so großes und wichtiges Bundesland ohne eine eigene Parlamentsmehrheit zu regieren. Nach einem Jahr fällt ihre Bilanz gemischt aus.

Krafts Start war stark. So manch ein CDU-Politiker musste sich zwicken: Die Seiteneinsteigerin in die Politik, die vor einem Jahr noch als chancenlose, keifende und schrille Außenseiterin beschimpft wurde, trat ihr Amt an, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. „Herausragend“ sei das gewesen, sagte damals einer aus dem CDU-Fraktionsvorstand. Ihr flogen die Sympathien der Bevölkerung zu, anders als bei ihrem Vorgänger Jürgen Rüttgers. Eisbrecher war da sicherlich ihre beeindruckende Rede bei der Trauerfeier für die Loveparade-Opfer. Hier gab es großes Lob — auch von Bundespräsident Christian Wulff und Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Auch im Parlament brannte nichts an. Vor allem die Linkspartei erwies sich als berechenbare Größe, trug viele rot-grüne Gesetze mit. Krafts Geschick zeigte sich auch darin, dass die Linken im Gegenzug nichts erhielten. Zug um Zug wurden Einschnitte der schwarz-gelben Vorgängerregierung einkassiert und somit Wahlversprechen erfüllt — von der Abschaffung der Studiengebühren bis hin zur Wiedereinführung der Wahlfreiheit der Eltern beim Schulwechsel.

Das alles lief geräuschlos, es waren die guten Monate der Koalition. Kraft moderierte, anders als zu den Zeiten von Wolfgang Clement und Peer Steinbrück funktionierte das Bündnis. In dieser Phase trat Kraft häufig in Talkshows auf, sammelte Popularitätspunkte.

Alles war gut. Bis zum Frühjahr. Da gab es den ersten gewaltigen Dämpfer. Die Opposition hatte gegen den Nachtragshaushalt geklagt, verlangte erstmals von Verfassungsrichtern ein Stoppsignal gegen die Verschuldungspolitik. Als das kam, reagierte die Landesregierung kopflos, auch Kraft verlor den Überblick. Das war ein erster tiefer Kratzer.

Noch viel gravierender war aber die Abstimmungsniederlage beim Zerschlagungsplan für die WestLB. Das war zwar die erste in zwölf Monaten, offenbarte aber ausgerechnet zum ersten Regierungsgeburtstag die Grenzen der Minderheitsregierung: Geht es hart auf hart, steht sie ohne eigene Mehrheit da. Dass die Schlappe von einem Wortbruch der SPD im Parlament begleitet wurde, verdeutlichte eklatante Mängel in der Steuerung und der Organisation.

Und so wird die Ministerpräsidentin Ende des Monats froh sein, wenn sie endlich Urlaub machen kann. Es wird wieder ins Sauerland gehen, ausspannen im Sporthotel. Für Hannelore Kraft, vor 50 Jahren als Hannelore Külzhammer in Mülheim geboren, Tochter einer Verkäuferin und eines Straßenbahnschaffners, waren die vergangenen zehn Jahre ein einziger Aufstieg. Sie hat eine Blitzkarriere in der Politik hingelegt, wie sie fast einzigartig ist. Nun muss sie Steherqualitäten zeigen. Wie das Experiment ausgeht, ist noch nicht ausgemacht.

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