Korruptionsaffäre BLB-Prozess: Knallharte Strafe im Korruptions-Prozess

Der ehemalige Chef des landeseigenen Baubetriebs muss für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis. Richter spricht in seinem Urteil von einem „Gipfel des Eisbergs“.

Darum geht es (im Uhrzeigersinn): das Landesbehördenhaus in Bonn, das Polizeipräsidium Köln, das Justizzentrum in Düsseldorf und die ehemalige Schlösser-Brauerei.

Darum geht es (im Uhrzeigersinn): das Landesbehördenhaus in Bonn, das Polizeipräsidium Köln, das Justizzentrum in Düsseldorf und die ehemalige Schlösser-Brauerei.

Foto: dpa

Düsseldorf. Morgens ist Ferdinand Tiggemann am Dienstag noch selbst zum Düsseldorfer Landgericht gefahren. Nach der Urteilsverkündung mussten seine Rechtsanwälte dafür sorgen, dass der Wagen aus der Tiefgarage des Justizgebäudes abgeholt wird. Denn der ehemalige Chef des landeseigenen Baubetriebs BLB wurde noch im Gerichtssaal verhaftet. Ein symbolträchtiger Ort für das Verfahren, denn allein beim Bau des Amts- und Landgerichtes soll der 67-Jährige einen Schaden von mehr als drei Millionen Euro verursacht haben. Wegen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall und Untreue wurde Tiggemann zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Damit blieb das Gericht deutlich über dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die für ihn sechs Jahre Haft gefordert hatte.

Tiggemann soll bei Bauprojekten des Landes mindestens 178 000 Euro Schmiergeld erhalten haben. Wobei der Vorsitzende Richter Guido Noltze glaubt, dass es sich hier nur um den „Gipfel des Eisbergs“ handelt: „Einer der bestbezahlten Funktionsträger des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich federführend an einem kriminellen Komplott zu Lasten der Steuerzahler beteiligt. Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber das ist ein Fall für die Bazooka.“

Gerne hätte die Kammer noch mehr von dem dubiosen Immobilien-Makler Johann G. erfahren. Bei regelmäßigen Treffen im noblen Steigenberger Parkhotel soll er von Tiggemann Tipps bekommen haben, auf welchen Flächen das Land Großprojekte wie die neue Düsseldorfer Fachhochschule oder den Justizpalast plant. Doch der 82-Jährige hatte erhebliche Erinnerungslücken. Die waren so erstaunlich groß, dass der Richter den betagten Herrn in Ordnungshaft steckte und mehrfach wieder zum Prozess beorderte. Bis der 82-Jährige nicht mehr vorgeladen werden konnte. Er ist tot.

Doch auch ohne die Aussage sei Tiggemann überführt. Der einzige Grund, warum sich ein hoch bezahlter Beamter mit einem „Berufskriminellen“ einlässt, der Steuerschulden in Millionenhöhe und zuletzt nicht einmal mehr ein eigenes Konto hatte, sei, sich bestechen zu lassen. Ein Indiz dafür sei unter anderem, dass Johann G. auf mehreren Spesenquittungen unter einem Alias-Namen geführt wurde.

Ein weiteres Indiz sieht das Gericht nach der Überprüfung der Konten des Ex-BLB-Chefs. Denn 2004 und 2008 kam Tiggemann jeweils für etwa ein Jahr ohne Bargeld aus. Auch die Tankrechnungen — etwa drei pro Monat — wurden plötzlich nicht mit der Karte bezahlt, sondern offenbar cash. Tiggemann hatte behauptet, er habe Geld aus dem Erbe seiner verstorbenen Schwiegermutter sowie einem nicht zustande gekommenen Hauskauf in Kroatien zur Verfügung gehabt. „Alternative Fakten“, die durch nichts zu belegen seien, nannte Noltze diese Aussage. Er kritisierte auch das Gesamtverhalten Tiggemanns im Prozess. Er habe dem Gericht „Lücken und nachgewiesene Lügen“ präsentiert.

Wie das System funktionierte, wird am Beispiel des Justiz-Neubaus deutlich. Obwohl längst klar war, dass Amts- und Landgericht auf dem Gelände in Oberbilk errichtet werden sollten, kümmerte sich Tiggemann nicht um die Fläche. Stattdessen wurde mit einem Investor eine Gesellschaft gegründet, die das Gelände als Zwischenhändler kaufte. Drei Millionen Euro musste das Land zahlen, damit dieser Kaufvertrag rückgängig gemacht wurde. Bei der Vergabe der Sanierungsarbeiten für die Fläche soll noch weiterer Schaden entstanden sein.

Seit April 2016 wurde vor dem Düsseldorfer Landgericht verhandelt. Öffentlich wurde der Verdacht bereits vor sieben Jahren durch die Kostenexplosion beim Bau des NRW-Landesarchivs in Duisburg. Statt der geplanten 30 Millionen Euro kostete das Projekt am Ende 200 Millionen Euro. Dieser Komplex ist in der aktuellen Anklage allerdings nicht enthalten. Tiggemanns Anwälte können gegen das Urteil noch Berufung einlegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort