SPD: „Überflüssige Schikane“ Abgang renommierter NRW-Steuerfahnder sorgt für Empörung

Düsseldorf (dpa) - Der Abgang bundesweit renommierter Steuerfahnder in Wuppertal sorgt für Spekulationen und Kritik. Zwei Spitzenkräfte aus dem Wuppertaler Finanzamt, Sandra Höfer-Grosjean (45) und Volker Radermacher (49), wechseln die Seiten und steigen bei der Großkanzlei Deloitte ein, wie die Kanzlei bestätigte.

SPD: „Überflüssige Schikane“: Abgang renommierter NRW-Steuerfahnder sorgt für Empörung
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Zuvor hatte das „Handelsblatt“ berichtet. Die Opposition ist empört.

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Der Wechsel nährt den Verdacht, die schwarz-gelbe Landesregierung könnte die von Wuppertal ausgehende intensive Verfolgung von Steuerhinterziehern beenden. Die Wuppertaler Behörde war mit dem spektakulären Ankauf von Steuerdaten-CDs immer wieder in den Schlagzeilen. Dies spülte bundesweit Milliardenbeträge in die Staatskassen.

Nachdem Behördenchef Peter Beckhoff, der legendäre „Mann ohne Gesicht“, vor einem Jahr in Pension gegangen war, war Höfer-Grosjean vom damaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zur kommissarischen Nachfolgerin ernannt worden. Radermacher wurde ihr Stellvertreter. Den Chefposten bekam nach der Landtagswahl aber Michael Schneiderwind vom Finanzamt Aachen-Stadt.

„So fährt man sehenden Auges eine bestens aufgestellte Steuerfahndung vor die Wand“, twitterte Ex-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). „Da werden ein paar Champagnerkorken knallen!“ Das NRW-Finanzministerium kündigte eine Stellungnahme an.

Mit „überflüssigen Schikanen gegen erfolgreiche Steuerfahnder“ schaffe CDU-Ministerpräsident Armin Laschet „No-Tax-Areas“ für Bestverdienende, kritisierte SPD-Landeschef Michael Groschek. Trotz der Klientelinteressen seiner Koalition dürfe Laschet nicht den „Türöffner für Finanzverbrecher“ spielen.

Die Ankündigungen von CDU-Finanzminister Lutz Lienenkämper, die Politik seines Amtsvorgängers fortführen zu wollen, „entpuppen sich als leere Worthülsen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Zimkeit. „Über die Schwächung der Steuerfahndung freuen sich nur Steuerbetrüger.“

Ein Sprecher der Linken erklärte, noch offensichtlicher könne eine Landesregierung nicht zeigen, dass sie Politik für die Reichsten mache: „Dieselbe Landesregierung, die den Ärmsten das Sozialticket streichen wollte, verzichtet auf Milliarden von reichen Steuerbetrügern.“

Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte einen weiteren Ankauf von Steuer-CDs nicht ausgeschlossen. Dies müssten aber Ausnahmefälle sein, hatte FDP-Chef Christian Lindner bei der Vorstellung des schwarz-gelben Koalitionsvertrags gesagt.

Seit 2006 wurden sogenannte Steuersünder-CDs mit gestohlenen Kundendaten aus der Schweiz und Liechtenstein angekauft. Das von der Schweiz kritisierte Vorgehen war politisch lange umstritten, wurde von höchsten deutschen und europäischen Gerichten jedoch als zulässig anerkannt. Schweizer Großbanken, gegen deren Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt worden war, hatten Millionensummen an den deutschen Fiskus gezahlt.

Die Schweiz hatte daraufhin 2012 sogar Haftbefehle gegen die NRW-Beamten erlassen. Der Vorwurf: Verletzung des Bankgeheimnisses. Der Alpenstaat soll sogar Spione auf die Wuppertaler Steuerfahnder angesetzt haben.

NRW hatte auf Empfehlung seiner Steuerfahndung elf CDs mit Daten von mutmaßlichen Steuersündern erworben. Damit wurden bundesweit 120 000 Selbstanzeigen, davon 23 300 allein in NRW, mit Bezug auf die Schweiz ausgelöst.

Dadurch kamen nach Angaben des NRW-Finanzministeriums von 2017 zusätzliche Steuereinnahmen von schätzungsweise sechs bis sieben Milliarden Euro bundesweit zusammen - allein 2,4 Milliarden Euro in NRW seit dem Jahr 2010.

Zuletzt waren die Steuerfahnder möglichen Tricksereien und Betrügereien deutscher Unternehmen über Briefkastenfirmen auf Malta auf der Spur. Es gehe auch um nicht angemeldete Niederlassungen bekannter deutscher Konzerne, hatte Walter-Borjans noch während seiner Amtszeit gesagt.

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