Münteferings Tage als SPD-Chef sind gezählt

Beim Parteitag im November wird er wohl nicht mehr kandidieren. Jetzt ist Steinmeier gefragt.

Berlin. Der Noch-Parteichef wand sich. Es dauerte einige Zeit, bis sich Franz Müntefering dann doch die Nachricht von seinem baldigen Abgang abringen ließ. Allein, ohne Frank-Walter Steinmeier, den wohl künftig starken Mann auch in der Partei, trat der 69- Jährige am Tag eins nach dem Wahldebakel am Montagnachmittag vor die Presse.

In gewohnt penibler Manier fasste er die fünfstündigen Debatten der SPD-Spitze zusammen. Einige Nervosität war dem 69-jährigen Routinier deutlich anzumerken. So, als er mit einem kleinen Versprecher über "40 Mordmeldungen" hinter verschlossenen Türen berichtete.

Aber immerhin zwei Rücktrittsforderungen an seine Adresse habe es in den diversen Spitzenrunden gegeben, räumte er nebenbei ein: "Ich habe darauf zunächst nicht reagiert." Die personelle Neuaufstellung der Partei solle "in einem geordneten Prozess" spätestens in zwei Wochen geregelt sein.

Erst gegen Ende des Auftritts sorgte Franz Müntefering dann noch für Klarheit. Recht "nahe an der Wahrheit" sei die Annahme, dass er auf dem Parteitag Mitte November in Dresden nicht wieder für den Vorsitz antreten werde, sagte er und blies damit erstmals öffentlich zum Rückzug.

Und er gab auch gleich die Richtung für die Nachfolge vor. Nichts spreche aus seiner Sicht in der derzeit schwierigen Lage dagegen, wenn Steinmeier neben der Leitung der Fraktion auch den Parteivorsitz übernähme. Müntefering würde das "sofort akzeptieren".

Mit seinem Sinneswandel ist Müntefering noch rechtzeitig einer Palastrevolte entgangen. Mehr oder weniger offen hatten führende Sozialdemokraten damit gedroht. Es gebe kein überzeugendes Argument mehr dafür, warum ausgerechnet der jetzige Parteichef die SPD in eine bessere Zukunft führen könne, hieß es. Um den aufkeimenden Prozess der Selbstzerfleischung nicht zu befeuern, hielten sich viele aber in den Gremiensitzungen zurück und hofften offenbar auf Selbsteinsicht des Vorsitzenden.

An den genauen Modalitäten für Steinmeiers doppelten Auftrag wird noch gebastelt. Erst am kommenden Montag soll das künftige Tableau für das neue Personal feststehen, das sich daran machen soll, die Traditionspartei neu zu erfinden. Nur in Umrissen steht bislang fest, wen Steinmeier voraussichtlich um sich scharen wird. Bereits freiwillig ausgeschieden aus dem Rennen ist der bisherige Partei-Vize Peer Steinbrück, der die eigenen Reihen vor dem Aufstellen von "Revolutionstribunalen" nach dem Wahldebakel warnte.

Die Parteilinke hat Ansprüche erhoben, stärker als bislang in der Spitze vertreten zu sein. Daran kommt der künftige Vorsitzende kaum vorbei. Deshalb könnte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit Steinbrücks Platz übernehmen. Andrea Nahles dürfte ihren Vize-Posten behalten, der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel einen bekommen.

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