Moschee-Verband zementiert am Heiligen Abend Bindung an Erdogan

Im Ditib-Vorstand führen türkische Beamte das Wort, eine Loslösung von Ankara findet nicht statt. Damit steht auch das NRW-Modell eines gemeinsamen Islam-Unterrichts endgültig auf der Kippe.

 Das Dach der Moschee der Türkisch-islamischen Union Ditib in Köln.

Das Dach der Moschee der Türkisch-islamischen Union Ditib in Köln.

Foto: Oliver Berg

Köln. Die „Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib) hat an Heiligabend ihre Bindung an den türkischen Staat personell zementiert. Vorsitzender des türkischen Moscheeverbands bleibt laut Ditib Nevzat Yaşar Aşıkoğlu, der zugleich Botschaftsrat der Türkei ist. Aşıkoğlu ist seit 2014 im Amt.

Neben dem als regimetreu geltenden Aşıkoğlu stehen mit Ahmet Dilek, der nicht nur Vize-Vorsitzender des Obersten Religionsrates der Ditib, sondern auch Kölner Religionsattaché der Türkei ist, und Abdurrahman Atasoy als Religionsbeauftragtem und Imam der staatlich-türkischen Religionsbehörde Diyanet mindestens drei von sieben Vorstandsmitgliedern der Ditib als Regierungsangestellte direkt auf Erdogans Lohnliste.

Als „schöne Bescherung für alle Religionspolitiker in den Ländern, die bei der Ditib schon zufrieden gewesen wären, sie hätte nur wenigstens die Fassaden ihres Potemkin’schen Dorfes mit neuen Farben gestrichen“ bezeichnete Grünen-Politiker Volker Beck das Wahlergebnis in einer Stellungnahme. Für NRW hatte Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) die Ditib als Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit im Sommer vor die Wahl gestellt, sich zu entscheiden, „ob sie eine politische Organisation sein möchte oder eine Religionsgemeinschaft. Wenn sie sich löst von Ankara und als Religionsgemeinschaft tätig ist, ist sie Partner.“ Dazu Volker Beck: „Pustekuchen. Der neue Vorstand: Ein Attaché, ein Botschaftsrat und ein Imam der Diyanet. Also drei Beamte des türkischen Staates. Klares Statement.“

An den Vorstandswahlen im Rahmen einer Mitgliederversammlung, die am 24. Dezember in einem Kölner Hotel stattfand, sollen laut Medienberichten rund 50 Personen teilgenommen haben. Wie sie die nach Ditib-Angaben rund 960 Moschee-Vereine repräsentieren, die dem von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gesteuerten und finanzierten Verband angehören, ist unklar.

Laut Ditib nahm an der Kölner Mitgliederversammlung auch der türkische Diyanet-Präsident Ali Erbaş teil. Erbaş habe auf die besondere Rolle der Ditib-Imame in Deutschland hingewiesen: „Über die Religionsbeauftragten wurde bedauerlicherweise in letzter Zeit viel in Deutschland diskutiert. Ich kann hier versichern, dass unsere Religionsbeauftragten ausschließlich religiöse Aufgaben haben. Sie lehren Toleranz, Respekt, Geschwisterlichkeit, Wahrung der Menschenwürde und Verbot der Diskriminierung“, sagte Erbaş laut einer Ditib-Pressemitteilung.

Nach dem Zivil-Putsch von Präsidenten Recep Erdogan im Juli 2016, der die Türkei seitdem im Ausnahmezustand regiert, hatten laut NRW-Verfassungsschutz mindestens 13 Ditib-Imame Spitzel-Informationen über angebliche Gegner nach Ankara beziehungsweise die türkischen Konsulate in Deutschland geliefert. Armin Laschet (CDU) forderte im Februar 2017 vor seiner Wahl zum NRW-Ministerpräsidenten die Ausweisung spitzelnder Imame.

Im Zuge der Ermittlungen forderte die für Spionage zuständige Generalbundesanwaltschaft Haftbefehle für sechs Ditib-Imame und einen Diyanet-Funktionär. Dies lehnte der Bundesgerichtshof jedoch ab, weil kein dringender Tatverdacht bestehe. Anfang Dezember stellte Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen insgesamt Ditib-Imame ein: Sieben der Beschuldigten waren in die Türkei ausgereist, bei weiteren sieben habe kein ausreichender Tatverdacht bestanden, bei den übrigen fünf habe man „wegen Geringfügigkeit“ von der Strafverfolgung abgesehen.

Grundsätzlich hatte Ditib die Bespitzelung selbst eingeräumt, eine Beauftragung jedoch bestritten. Etliche Länder legten nach der Spitzel-Affäre die Kooperationen mit der Ditib auf Eis, der Bund strich dem Verband finanzielle Mittel in Millionenhöhe. In NRW ruht derzeit auch die Kooperation im Rahmen des 2012 eingeführten Beiratsmodells für den islamischen Religionsunterricht. Dieses Modell läuft 2019 aus. Bislang hegte NRW-Integrationsminister Stamp die Hoffnung, mit Reformkräften innerhalb der Ditib eine Loslösung von Ankara auf den Weg bringen.

Diese Hoffnung dürfte sich mit den Vorstandswahlen von Heiligabend erledigt haben. Der im Amt bestätigte Ditib-Vorstandsvorsitzende Nevzat Yaşar Aşıkoğlu betonte, dass der Verband den Anspruch weiterverfolgen werde, „eine deutsche islamische Religionsgemeinschaft“ und als Religionsgemeinschaft Ansprechpartner des Bundes und der Länder in den Islam betreffenden, religiösen Angelegenheiten zu sein.

Zuletzt waren der sogenannte „Zentralrat der Muslime“ und der „Deutsche Islamrat“ nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht NRW im November damit gescheitert, als Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes anerkannt zu werden. Ziel war der Anspruch auf Erteilung eines eigenen, unabhängigen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in NRW.

Ditib-Aşıkoğlu ließ in Köln keinen Zweifel daran, dass ein „besonderes Augenmerk der religiösen Bildung unserer Kinder und Jugendlichen“ der Hintergrund der Bemühungen um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft sei. Mit anderen Worten: Das bisherige Beiratsmodell interessiert die Ditib nicht mehr — und NRW braucht bis zum Beginn des Schuljahres 2019/20 eine neue Lösung für den gemeinsamen Islamunterricht.

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