Meinung Merkels diplomatischer Klartext bei Erdogan

Viel ist gemutmaßt worden über Angela Merkels Haltung gegenüber Recep Erdogan, viel Bösartiges darunter. Vor allem, dass sie ihre demokratische Seele dafür verkauft habe, der Türkei die Lösung des Flüchtlingsproblems zu überlassen.

Dass sie kusche.

Wer Angela Merkel kennt, wusste, dass das Quatsch ist. Die Kanzlerin hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, wenn es wichtig ist. Das war schon bei Guantanamo gegenüber den USA so, und es war beim Dalai Lama gegenüber China so. Und so hat die Kanzlerin auch gestern in Istanbul die passenden Worte gefunden: Besorgnis, sogar tiefe Besorgnis über den Umgang mit der Opposition, der Pressefreiheit und den Kurden.

Vielmehr geht im Diplomatendeutsch nicht, und bei dem muss bleiben, wer nicht alle Brücken einreißen will. Erdogan, der vielleicht tatsächlich geglaubt hatte, mit Merkel leichtes Spiel zu haben, hat sich verzockt. Die von seinem Volk ersehnte Visafreiheit kommt nicht zum 1. Juli. Es gibt, so wie die EU stets gesagt hat, keinen Rabat für Autokraten.

Dies ist überhaupt der Weg für den künftigen Umgang miteinander: Deutschland und Europa insgesamt sollten mit Ankara freundlich, aber verbindlich reden, auch öffentlich, wie es die Kanzlerin gestern getan hat. Klartext von Anfang an. Damit jeder Bürger in der Türkei beizeiten weiß, was Europa von dem Land erwartet. Und dann beurteilen kann, woran es liegt, wenn es nicht vorangeht. Nämlich an Erdogan.

Angela Merkel übrigens wäre noch glaubhafter, wenn sie den Türken sagen würde und immer schon gesagt hätte, dass sie als demokratisches Land selbstverständlich EU-Mitglied sein können.

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