Merahs Video bleibt unter Verschluss

Der arabische Sender Al-Dschasira zeigt nun doch nicht den Film, in dem sich der mutmaßliche Mörder seiner Taten rühmt.

Paris. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira hat am Dienstag überraschend entschieden, keine Videobilder von den Mordanschlägen des Toulouser Serienmörders Mohammed Merah auszustrahlen.

Die Direktion des Senders begründet dies in einem Kommuniqué damit, dass das Filmmaterial „im Widerspruch steht zum Ethikcode des Senders“. Zunächst wollte Al Dschasiera das Material senden.

Der Verzichtserklärung war eine heftige Debatte über die Grenzen der Informationsfreiheit vorausgegangen. Sogar Staatspräsident Nicolas Sarkozy und dessen sozialistischer Herausforderer im Präsidentschaftswahlkampf, François Hollande, hatten sich eingeschaltet.

Beide forderten den in Doha am Persischen Golf ansässigen katarischen Sender eindringlich auf, auf die Ausstrahlung des Videos zu verzichten. Das erfordere der Respekt vor den Opfern, sagte Sarkozy einem französischen Nachrichtensender.

Das umstrittene Attentatsvideo befindet sich auf einem USB-Stick, der gemeinsam mit einem handgeschriebenen Brief voller Rechtschreibfehler im Pariser Büro von Al-Dschasira eingegangen war.

Möglicherweise ist der Brief noch am Dienstagabend der vorigen Woche in Toulouse abgeschickt worden, wenige Stunden bevor die Elitepolizei Raid Merahs Wohnung zu belagern begann. Der Brief ist nicht unterschrieben. Wer ihn verfasst und abgeschickt hat, wird ermittelt.

Dem Pariser Al-Dschasira-Büroleiter Zied Tarrouche zufolge enthält das Videomaterial in chronologischer Reihenfolge alle Details der schrecklichen Mordanschläge von Montauban und Toulouse, bei denen im Laufe von acht Tagen sieben Menschen, darunter drei Fallschirmjäger, eine jüdische Familie und eine jüdische Schülerin ums Leben kamen. Man könne deutlich die Pistolenschüsse vernehmen sowie die Stimme des Attentäters und die Schreie der Opfer, heißt es.

Die Familie des franko-israelischen Religionslehrers, der zusammen mit seinen beiden kleinen Kindern den Tod fand, warnte am Dienstag ebenfalls davor, das Video zu senden. Inständig bat sie in einer Erklärung darum, „unsere Trauer und unseren Schmerz zu respektieren“.

Noch vor der Entscheidung von Al-Dschasira hatten sich alle französischen TV-Sender darauf verständigt, keine Bilder aus dem Toulouser Mord-Video zu zeigen. Erleichtert über das Nein des Senders zeigte sich die Mutter eines von Merah getöteten Fallschirmjägers.

Der französische Inlandsgeheimdienst DCRI wies derweil den Vorwurf zurück, Merah sei ein Spitzel gewesen. Geheimdienstchef Bernard Squarcini sagte, Merah sei weder „Informant des DCRI noch eines anderen französischen oder ausländischen Dienstes“ gewesen.

Der frühere Chef der Spionageabwehr DST, Yves Bonnet, hatte zuvor eine Spitzel-Tätigkeit vermutet. Einer Zeitung „Dépêche du Midi“ sagte er, Merah sei beim DCRI nicht nur als Islamist bekannt gewesen, sondern habe dort einen festen Ansprechpartner gehabt.

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