Memoiren: Blair rechnet mit Brown ab

Ex-Premier nennt seinen Nachfolger einen „seltsamen Typen“.

London. Die Türen wurden den Geschäften nicht gerade eingerannt, als am Mittwoch der Verkauf der Autobiografie von Tony Blair begann.

Bei Waterstone’s, Londons größtem Buchladen, fanden sich pünktlich um 8 Uhr morgens mehr Medienvertreter als Käufer ein, aber im Laufe des Tages wurden dann halbwegs ordentliche Verkaufszahlen gemeldet.

Tony Blairs "A Journey" ("Eine Reise") beschreibt den Weg des ehemaligen Premierministers vom Anfang seiner Amtszeit im Mai 1997 bis zu seinem Abtritt zehn Jahre später. Das 700 Seiten starke Buch ist vor allem eine Abrechnung mit seinem Weggefährten: Gordon Brown.

Über den ehemaligen Schatzkanzler wird vernichtend geurteilt. Als "seltsamen Typen" bezeichnet ihn Blair. Brown habe "null emotionale Intelligenz" besessen, und der Umgang mit ihm sei "schwierig" bis "unerträglich" gewesen. Ständig habe der Schotte, um Blair aus seinem Job zu drängen, "persönlichen Druck" ausgeübt, der bis hin zur Erpressung reichte.

Entlassen habe er ihn nicht können, denn zum einen sei Brown als Schatzkanzler brillant gewesen, zum anderen hätte ein Rausschmiss zu einer Regierungskrise geführt. Allerdings sei Blair stets klar gewesen, dass sein schottischer Rivale zwar über reichlich politisches Kalkül und analytische Intelligenz, aber über keinerlei "politisches Bauchgefühl" verfüge.

Schließlich macht Blair seinen Nachfolger für den Wahlverlust im Mai verantwortlich. Er habe drei Urnengänge gewonnen, weil er mit "New Labour" eine moderne Sozialdemokratie vertreten habe. Brown dagegen habe verloren, weil er diese Strategie umzukehren versuchte. "Die Niederlage wird beim nächsten Mal noch größer", warnt Blair seine Partei vor einem weiteren Linksruck.

So vernichtend schonungslos und korrekt Blair in seiner Analyse der Beziehung zu Brown auch ist, so sehr drückt er sich vor einer Aufarbeitung des zweiten großen Komplexes, der seine Amtszeit dominiert hat: dem Verhältnis zu den USA, insbesondere zu George W. Bush und dem Krieg im Irak. Da wiederholt er nur seine bekannte Position. Bush sei ein "wahrer Idealist" von hoher Intelligenz und Integrität, und die Entscheidung, an der Seite der Amerikaner in den Krieg zu ziehen, sei richtig gewesen.

"Ich glaube immer noch", schreibt Blair, "dass es ein größeres Risiko für unsere Sicherheit gewesen wäre, Saddam an der Macht zu lassen, als ihn zu stürzen." Allerdings habe er den "Albtraum" der Nachkriegsphase nicht vorhergesehen und "viele Tränen um die Toten vergossen."

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