Krieg in Nahost: Israel am Scheideweg

Es gibt Militärpläne, die Kämpfe mit Bodentruppen auszuweiten. Die Regierung ist aber zerstritten und weltweit unter Druck.

Tel Aviv/ Gaza. Gut zwei Wochen nach Beginn der Militäroffensive im Gazastreifen steht Israel am Scheideweg. Die internationalen Forderungen nach einer Waffenruhe werden immer lauter und nachdrücklicher.

Das israelische Militär dringt hingegen darauf, die Angriffe in dem Palästinensergebiet noch auszuweiten, um der radikal-islamischen Hamas-Organisation möglichst bleibenden Schaden zuzufügen.

Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte am Sonntag, Israel nähere sich seinem Ziel im Gazastreifen, kündigte jedoch eine Fortsetzung der Kämpfe an.

Nach israelischen Medienberichten sieht ein Plan für "Phase drei" der Operation "Gegossenes Blei" einen Vorstoß in die dicht besiedelten Städte des Gazastreifens vor. Dies hatte die Armee bislang weitgehend vermieden. Als "Vorgeschmack" drangen Bodentruppen am Sonntag einen Kilometer tief in die Stadt Gaza ein. Bei heftigen Gefechten starben zwölf palästinensische Kämpfer.

Der israelische General Jair Galant warnte in einem Gespräch mit der Zeitung "Jediot Achronot" vor einem "historischen Fehler", sollte die Operation jetzt gestoppt werden. Er sprach sich für die Wiedereroberung von Teilen des Gazastreifens im Rahmen von "Phase drei" aus. "Wenn wir den Einsatz jetzt stoppen, wird im nächsten Konflikt auch Tel Aviv in Reichweite der Raketen sein", sagte er dem Blatt.

Doch je länger die Armee im Gazastreifen bleibt, desto weiter steigt die Gefahr größerer israelischer Verluste, die Hamas in einen Erfolg ummünzen könnte. Israelische Kommentatoren verweisen angesichts der internationalen Proteste auch auf den großen diplomatischen Schaden durch weitere Angriffe im Gazastreifen, wo die Zahl der Toten schon fast 900 beträgt und mehr als 3.500 Menschen verletzt wurden.

Der Aufruf des Weltsicherheitsrates, der bereits am Freitag eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen gefordert hatte, wird in Israel als Niederlage gesehen. Besonders enttäuscht ist man, dass die USA als wichtigster Verbündeter Israels sich enthielten.

Der diplomatische Misserfolg vertiefte noch die Kluft innerhalb der israelischen Regierung, die ohnehin wegen großer Meinungsverschiedenheiten über das richtige Vorgehen im Gazastreifen zerstritten ist. Außenministerin Zipi Livni hatte nach Medienberichten noch vor der Entscheidung des UN-Sicherheitsrates gedrängt, im Gazastreifen den Sieg zu erklären und sich einseitig zurückzuziehen.

Auch Verteidigungsminister Ehud Barak wollte den Berichten zufolge den blutigen Feldzug schon längst abschließen. Olmert habe jedoch auf eine Fortsetzung der harten Schläge aus der Luft und am Boden gedrängt. Anders als Livni und Barak, die trotz Rivalität eng zusammenarbeiten müssen, tritt er nicht als Kandidat bei denen in einem Monat anstehenden Parlamentswahlen an.

Noch gibt es Hoffnung, dass die Diplomatie eine Ausweitung der Offensive verhindern kann. Außenminister Frank-Walter Steinmeier führte am Sonntag Gespräche mit der israelischen Führung.

Sie will eine Rückkehr zum Status vor dem Einsatz vermeiden, als täglich aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen in Israel einschlugen. Hamas lehnt eine langfristige Waffenruhe ebenso ab wie die Entsendung internationaler Truppen oder Beobachter in den Gazastreifen.

Israel will die Hamas im Gazastreifen auch nicht direkt in eine Waffenruhe-Vereinbarung einbinden, um die "Terrororganisation" nicht politisch aufzuwerten. Nur wenige glauben in Israel aber daran, dass eine vollständige Zerstörung der Organisation, die 2006 bei demokratischen Wahlen gesiegt hatte, realistisch ist.

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