Koalition vor Einigung bei zweitem Konjunkturpaket

Streitpunkt ist weiterhin die mögliche Steuerentlastung.

Berlin (dpa). Union und SPD stehen im Kampf gegen die Wirtschaftskrise vor der Einigung auf eines der größten Konjunkturpakete in der bundesdeutschen Geschichte. Vor den Schlussverhandlungen über das 50-Milliarden-Programm an diesem Montag gab es aber noch starke Differenzen über die Entlastungen von Bürgern und Wirtschaft bei Steuern und Abgaben. Für Zündstoff sorgt auch der geplante Schutzschirm für Unternehmen. Die Union will notfalls mit einer Staatsbeteiligung Konzerne retten, die wegen der Finanzkrise keine Kredite mehr erhalten. Die SPD lehnt dies bisher ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich vor dem Treffen der Koalitionsspitzen am Montagabend zuversichtlich, dass sich Union und SPD auf das zweite Konjunkturpaket für 2009 und 2010 verständigen. "Ich sehe gute Möglichkeiten einer Einigung", sagte sie nach einer Klausurtagung der CDU-Spitze in Erfurt. Die Steuererleichterungen hätten voraussichtlich einen Umfang von fünf bis sieben Milliarden Euro pro Jahr. Herzstück sind zusätzliche Infrastruktur-Investitionen von je zehn Milliarden Euro. Mit dem Konjunkturpaket II sowie den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise steuert der Bund auf eine Rekord-Neuverschuldung zu.

Der SPD-Forderung nach Steuererhöhungen für Spitzenverdiener erteilte die Union eine Absage. Man halte "die Botschaft von Steuererhöhungen zum augenblicklichen Zeitpunkt für falsch", sagte Merkel. CSU-Chef Horst Seehofer habe dies unterstützt. "Wir glauben, dass wir jetzt die Botschaft der Entlastung senden sollten."

Die SPD beharrt auf Mehrbelastungen für Top-Verdiener. "Dass die Union dies ablehnt und im selben Atemzug eine neues 100-Milliarden- Euro-Programm zur Unterstützung von Großunternehmen fordert, lässt tief blicken", sagte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). SPD-Chef Franz Müntefering warb für eine Steuerreform in der nächsten Wahlperiode. "Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen sind das Wichtigste", sagte Müntefering der "Bild"-Zeitung (Montag). "Steuersenkungen für Spitzenverdiener wird es nicht geben können - da machen wir den Bürgern nichts vor."

Merkel zeigte sich offen für Kompromisse bei anderen Forderungen der SPD. Dies betrifft etwa einen Kinderbonus von je 200 Euro und mehr Geld für Kinder von Langzeitarbeitslosen. Die CDU sprach sich für eine Umweltprämie als Kaufanreiz für umweltfreundliche Autos aus, nicht aber für eine von der SPD verlangte Verschrottungsprämie.

Die CDU beschloss einen "Deutschlandfonds" zur Rettung von Unternehmen in einer Kreditklemme. Der Vorstand sprach sich für einen Einstieg des Staates in Notfällen aus. Merkel ließ das aber offen: "Es ist uns zum heutigen Zeitpunkt völlig unmöglich, alle denkbaren Konstellationen schon umfassend beschreiben zu können." Im Zentrum sollten Bürgschaften stehen. Es könne auch um Garantien für Anleihen gehen. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach sich in der "Bild am Sonntag" dafür aus, Staatsbeteiligungen an Firmen als "letzte Möglichkeit" ins zweite Konjunkturpaket aufzunehmen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte, Staatshilfen an Unternehmen müssten an Gegenleistungen gebunden sein. Der Staat müsse bei Hilfen Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen können, erklärten DGB-Chef Michael Sommer und DGB-Vorstand Claus Matecki. Sie plädierten dafür, das Konjunkturpaket auf 100 Milliarden Euro aufzustocken und das Banken-Rettungspaket zu korrigieren.

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Kontrollgremiums für das Banken-Rettungspaket, Albert Rupprecht (CSU), forderte Korrekturen. Die Kreditvergabe funktioniere weiter nicht. "Der Interbankenmarkt ist (...) beinahe tot", sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa. Eine Verlängerung des 480-Milliarden-Pakets auf fünf Jahre sollte schon am Montag verabschiedet werden. Rupprecht forderte zudem eine staatliche "Bad Bank", die Problempapiere aufkauft und sammelt.

Experten der Union gehen nach dpa-Informationen davon aus, dass Deutschland schon 2009 die Schuldengrenze des EU-Stabilitätspaktes verletzt. Merkel lehnt eine Vorhersage zur Neuverschuldung ab. Schon die Konjunkturprognose für 2009 sei schwierig. Die Bundesregierung habe aber den Anspruch, den Stabilitätspakt nicht zu verletzen, wonach die Neuverschuldung nicht über 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen darf. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) will nach Angaben des Magazins "Der Spiegel" bis Ende Januar einen Nachtragsetat von rund 20 Milliarden Euro vorlegen.

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