Kanzlerin Merkel rügt Westerwelle

FDP-Chef sorgt mit Hartz-IV-Äußerungen für Unmut.

Berlin. Die Distanzierung von ihrem Stellvertreter hätte kaum deutlicher ausfallen können. "Es ist sicher individuell unterschiedlich, die Sprachführung, die da jeder wählt", ließ Angela Merkel am Freitag dem Vizekanzler persönliche Missbilligung ausrichten. "Das ist sicherlich weniger der Duktus der Kanzlerin", fügte Regierungssprecherin Sabine Heimbach mit Blick auf Guido Westerwelles Formulierung zum Karlsruher Hartz-IV-Urteil hinzu.

Doch der zeigte sich davon unbeeindruckt. Kurz nach der Merkel-Schelte baute sich der FDP-Chef im Auswärtigen Amt auf, um erneut auf die nach seiner Ansicht grassierende Hartz-IV-Mentalität im Lande einzudreschen. Man dürfe nicht nur auf die schauen, die auch in Zukunft Solidarität nötig hätten. "Wir müssen auch auf die achten, die das alles erarbeiten", legte Westerwelle nach. "Das muss man in Deutschland noch sagen können. Alles andere ist Sozialismus", zog er vom Leder. Für eine Entschuldigung sah er keinen Grund. "Ich spreche die Sprache, die verstanden wird."

Von einer Beleidigung für Millionen von Langzeitarbeitslosen sprach Grünen-Chefin Renate Künast. "Jetzt lässt Westerwelle die Maske fallen", bemerkte Verdi-Chef Frank Bsirske. Und SPD-Chef Sigmar Gabriel stellte Westerwelle gleich in die Reihe von Kaiser Nero, der ähnlich wie der antike Potentat damals an Rom jetzt am Sozialstaat zündle.

"Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein", hatte Westerwelle in einem Zeitungsbeitrag indirekt vor dem drohenden Untergang Deutschlands durch Hartz-IV-Empfänger gewarnt. Nicht nur die Opposition hielt dies für eine gewagte These. Bei der Union wurde gerätselt, was den FDP-Chef zu dem Rundumschlag geritten hat. Als wahrscheinlichste Erklärung gilt der tiefe FDP-Absturz in den Umfragen. Knapp 100Tage vor der Wahl in NRW mache sich bei der FDP Panik breit, glauben nicht wenige in der CDU. Mit markigen Sprüchen solle zumindest der harte FDP-Kern davon abgehalten werden, im Mai auch noch von der Fahne zu gehen.

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