Jobcenter: Die Zerreißprobe in der Union

Zwischen der Fraktion im Bundestag und den Ministerpräsidenten ist ein heftiger Streit entbrannt.

Berlin/Düsseldorf. Ein lautes Wort dazu war von ihm noch nicht zu hören - nicht einmal, als es am Montag hoch her ging im CDU-Präsidium. Aber natürlich brodelt es in Jürgen Rüttgers gewaltig.

Er war von der Parteiführung aufgefordert worden, mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz von der SPD einen Kompromiss zu einer neuen Mischverwaltung für die Jobcenter auszuhandeln. Das gelang, und dafür gab es Applaus: von allen anderen 15 Ministerpräsidenten. Ende gut, alles gut? Von wegen.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurden grundsätzliche Einwände laut. Auch fühlte man sich von der SPD - einmal mehr - über den Tisch gezogen. Schließlich kippte die Fraktion den Kompromiss in Anwesenheit von Angela Merkel.

Mehr noch: Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende stimmte mit der Fraktionsmehrheit gegen das Rüttgers-Scholz-Papier, obwohl sie es zuvor unterstützt hatte. NRW-Arbeitsminister Josef Laumann sprach danach, stellvertretend für seinen düpierten Chef Rüttgers, von einer Katastrophe. Und es wird immer deutlicher, dass die Sache damit noch lange nicht vom Tisch ist.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde es vorgestern im CDU-Präsidium äußerst laut. Mehrere Teilnehmer nahmen gezielt Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen ins Visier. Erstens, weil Fraktionschef Volker Kauder nicht da war.

Zweitens, weil man sich offenbar nicht traute, Merkel direkt anzugreifen. Drittens, weil Röttgen gar keinen Hehl daraus macht, im Hintergrund die Strippen gezogen zu haben. Und viertens, weil Röttgen bei seinen Auftritten manchmal vielleicht etwas arrogant wirkt.

Vor allem Hessens Ministerpräsident Roland Koch ließ sich dem Vernehmen nach von Röttgen provozieren. Dessen Hinweis, die Ministerpräsidenten hätten mit ihrem Ja zum Kompromiss das Grundgesetz missachtet, soll Koch heftig erbost haben.

In manchen Berichten heißt es, Koch und seine Amtskollegen aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Christian Wulff und Wolfgang Böhmer, hätten Röttgen regelrecht "zusammengefaltet", während Merkel sich nur zu der Bemerkung verstieg: "Zukünftig müssen wir verhindern, dass zwei Züge aufeinander zu rasen."

Hintergrund des Streits sind die Jobcenter, in denen Arbeitsagenturen und Kommunen zusammenarbeiten. Diese Mischverwaltung hatte das Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig beanstandet und eine Neuregelung bis Ende 2010 gefordert.

Rüttgers und Scholz einigten sich darauf, die bestehenden Jobcenter durch eine Verfassungsänderung abzusichern. Ohne eine Änderung dürfen die Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften nur noch bis Ende 2010 weiterarbeiten.

Die SPD beobachtet den unionsinternen Streit derweil genüsslich. Gestern goss die NRW-SPD Öl ins Feuer. Falls Bund und Länder sich nicht doch noch auf eine Änderung des Grundgesetzes einigen könnten, käme es ab 2011 wieder zu einer Doppelverwaltung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, kritisierte der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Rainer Schmeltzer.

Dies werde rund 60 Millionen Euro an Investitionskosten für neue Räume und Computersysteme sowie 85 Millionen Euro jährlich für zusätzliches Personal kosten.

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