Wulff sieht sich im „Stahlgewitter“

Der Bundespräsident agiert mit Kriegs-Vokabular und will nicht aufgeben.

Berlin. Christian Wulff setzt aufs Vergessen und fühlt sich offenbar wie ein Kämpfer im Gefecht. In der Kredit- und Medienaffäre schreckt der Bundespräsident auch vor martialischer Wortwahl nicht zurück.

Da soll er nicht nur „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner mit „Krieg“ gedroht haben. Vor Mitarbeitern hat er sich nach einem Zeitungsbericht auch zuversichtlich gezeigt, dass „dieses Stahlgewitter bald vorbei ist“.

„Stahlgewitter“ — ein Begriff aus der Kriegsberichterstattung. Ernst Jünger hatte 1920 in seinem Buch „In Stahlgewittern“ seine Weltkriegs-Erlebnisse geschildert. Offensichtlich fühlt sich das Staatsoberhaupt wie im Kugel- und Granatenhagel und setzt darauf, gehärtet und unbeschadet daraus hervorzugehen.

Womöglich ist die ganze Affäre wirklich in einem Jahr vergessen, wie es Wulff am Freitagnachmittag beim internen Neujahrsempfang des Präsidialamtes gesagt haben soll.

Ob aber der frühere niedersächsische Ministerpräsident dann noch in Bellevue residiert, muss sich noch zeigen. Während die Debatte unvermindert weiter ging und neue Details ans Licht kamen, war aus Schloss Bellevue keine Reaktion zu vernehmen.

Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sind im Fall eines Wulff-Rückzugs sogar Neuwahlen fällig, denn die Affäre sei längst auch eine Affäre der Kanzlerin. Angela Merkel müsse sich dann dem Votum der Wähler stellen, fordert Nahles, erntet damit aber Widerspruch ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel.

Offiziell steht die CDU-Kanzlerin weiter hinter Wulff. Indem sie ihre große Wertschätzung erklärte, versuchte Merkel — vergeblich —, Rücktrittsspekulationen zu beenden.

Ein Scheitern Wulffs würde auch sie beschädigen, und das inmitten der noch nicht ausgestandenen Euro-Schuldenkrise.

Nach übereinstimmenden Medienberichten haben sich Merkel sowie CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler auf ein Vorgehen verständigt, sollte Wulff aufgeben. Dann soll ein Kandidat präsentiert werden, den Rot-Grün nicht ablehnen kann.

Das brüchige Regierungslager setzt vorerst aber weiter auf ein Aussitzen der anhaltenden Turbulenzen. In der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt in geheimer Abstimmung wählt, hat Schwarz-Gelb nur noch eine knappe Mehrheit. Union und FDP könnten sich nur sehr wenige Abweichler leisten, um einen neuen Bundespräsidenten aus eigener Kraft zu bestimmen.

Einige Namen fallen schon — etwa der von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU). Und Rot-Grün bringt den 2010 unterlegenen Kandidaten Joachim Gauck wieder ins Gespräch.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe beklagt „Ungeschicklichkeiten und Fehler“ des Präsidenten, fügt aber hinzu, Wulff verdiene eine Chance, Vertrauen wieder aufzubauen.

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