Wolfgang Schäubles Finanzressort ist begehrt — der 75-Jährige ist aber Merkels wichtigster Minister

Eine der potentiellen Koalitionspartnerinnen, die FDP, macht keinen Hehl daraus, dass sie nach der Bundestagswahl bei einem möglichen Bündnis mit der Union das Schäuble-Ressort ins Visier nehmen wird.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert beim Empfang der CDU Baden-Württemberg Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum 75. Geburtstag. Kann die Kanzlerin auf ihn verzichten?

Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert beim Empfang der CDU Baden-Württemberg Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum 75. Geburtstag. Kann die Kanzlerin auf ihn verzichten?

Foto: Patrick Seeger

Berlin. Der Jubilar habe sich als Bundesfinanzminister in den vergangenen Jahren „mitten im Orkan“ befunden, so am Montag Angela Merkel in Offenburg. „Wolfgang Schäuble strahlt auch in Situationen größter Anspannung und Hektik Ruhe aus“, lobte sie ihn anlässlich seines 75. Geburtstages. Kann die Kanzlerin nach der Wahl auf so einen verzichten?

Er ist Merkels wichtigster Minister, ihr Ratgeber, ihr Kritiker, ihr Abfangjäger. Beide kennen sich fast 28 Jahre, sie sehen sich mindestens einmal in der Woche. Im Parlament stecken sie häufig auf der Regierungsbank die Köpfe zusammen. Schäuble will Finanzminister bleiben. Aber eine der potentiellen Koalitionspartnerinnen, die FDP, macht keinen Hehl daraus, dass sie nach der Bundestagswahl bei einem möglichen Bündnis mit der Union das Schäuble-Ressort ins Visier nehmen wird: Das Finanzministerium sei „das einzige Haus, das auf Augenhöhe mit dem Kanzleramt ist“, so FDP-Chef Christian Lindner gerade erst in einem Interview. Manch ein Liberaler empfiehlt bereits, nicht in eine Regierung einzutreten, in der die FDP nicht das Finanzressort innehat.

Doch erst muss gewählt werden. Am kommenden Sonntag und dann in möglichen Koalitionsverhandlungen entscheidet sich die politische Zukunft Wolfgang Schäubles. Kann Merkel ihn nach einem Wahlsieg halten? Und will sie es überhaupt? Dass Schäuble ein Leben für die Politik führt, ist unbestritten. Er sitzt schon 45 Jahre im Bundestag und kandidiert nun wieder. Seinen Wahlkreis Offenburg wird er erneut direkt gewinnen, daran besteht kaum Zweifel. Schäuble war in den 1990iger Jahren Helmut Kohls Kronprinz, doch der damalige CDU-Kanzler hielt sich nicht an sein Wort, für ihn Platz zu machen. Er war einer der Architekten der deutschen Einheit und als Bundesfinanzminister während der Eurokrise Europas oberster Sparkommissar. In Griechenland, das ist klar, wird Schäuble von vielen regelrecht gehasst. Kein anderer Politiker scheint überdies so hart zu sich selbst und zu anderen zu sein. Was vielleicht auch daran liegt, dass er seit einem Attentat im Jahr 1990 an den Rollstuhl gefesselt ist.

Gleichwohl verbindet Merkel und Schäuble eine komplizierte Beziehung. Er war mal CDU-Chef und sie seine Generalsekretärin, bis sie ihn dann ablöste. Merkel war es, die seinen Aufstieg zum Bundespräsidenten verhinderte. Doch Schäuble ist loyal bis zur Selbstaufgabe, erst als Innenminister, dann als Finanzminister. Politisch sind sie unterschiedliche Temperamente. Schäuble geht eher Risiken ein; Merkel probiert ungern aus, wie dünn die Eisdecke ist. Die Kanzlerin weiß allerdings auch, was sie ihm zu verdanken hat: Ohne Schäuble hätte sie niemals die Mehrheiten im Bundestag bei diversen Griechenland-Abstimmungen bekommen. Auch wenn Schäuble die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik offen kritisiert hat, so wehrte er doch öfter mal Attacken aus der CSU gegen sie ab. Der Mann mit der schwarzen Null ist zudem einer der wenigen, der die Konservativen noch an die Union bindet — und kein anderer Minister ist so erfahren und genießt in der Faktion eine so hohe Anerkennung.

Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Merkel versuchen wird, bei einem Wahlsieg Schäuble auch in ihr nächstes Kabinett zu holen. Während ihrer Geburtstags-Rede gestern wartete man freilich vergeblich auf eine kleine Andeutung. Was wohl auch daran lag, dass die Kanzlerin jeden Eindruck von zu großer Siegessicherheit zu vermeiden sucht. Nur so viel ließ sie wissen: Schäuble sei niemand, der sich selbstzufrieden zurücklehne, „sondern immer auf der Suche nach etwas, was ihn fordert“. Auch mit 75 Jahren noch.

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