Wirbel um „Stern“-Bericht über Brüderle

Berlin (dpa) - Ein Bericht des „Stern“ über angebliche anzügliche Äußerungen von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gegenüber einer Mitarbeiterin des Magazins sorgt für Wirbel.

In der FDP gab es am Donnerstag überwiegend kritische Stimmen, die dem Magazin vorhielten, mit dem Artikel erst ein Jahr nach dem Zusammentreffen der beiden beim Dreikönigs-Treffen an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Büro Brüderles wollte sich auf wiederholte Nachfrage nicht dazu äußern.

„Stern“-Reporterin Laura Himmelreich berichtete über die Begegnung unter dem Titel „Der Herrenwitz“. Am Donnerstag sagte sie dem Deutschlandfunk, sie habe Brüderle nicht anprangern wollen. Himmelreich wurde von dem Sender auf dessen Internetseite zitiert. In ein Mikrofon habe sie nichts sagen wollen. Sie wolle aber die Intention ihres Artikels persönlich klarstellen: „Der Tenor ihres Artikels sollte nie sein: Sie wurde von Rainer Brüderle belästigt und jetzt will sie ihn an den Pranger stellen.“

Wörtlich heißt es weiter: „Ihre Absicht sei es gewesen aufzuzeigen, dass Brüderle ein Politiker sei, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Und dass der 67-Jährige nun als Spitzenkandidat der FDP im Wahljahr 2013 ins Rennen geschickt wird - das passe nicht.“ Vor einem Jahr habe der „Stern“ keinen Grund gesehen, ein Stück über Brüderle zu schreiben. Aufgrund seiner exponierten Position habe sich die Lage geändert.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nahm Brüderle in Schutz. „Diese Art der Berichterstattung ein Jahr nach einem angeblichen Vorfall ist zutiefst unfair“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf dem Flug nach Lissabon. Zudem sei es „unmöglich“, Brüderles Ehefrau Angelika in die Berichterstattung hineinzuziehen.

„Stern“-Chefredakteur Thomas Osterkorn verteidigte das Brüderle-Porträt in einem dpa-Gespräch. Die Kollegin habe Brüderle über einen längeren Zeitraum beobachten wollen. Am Anfang der Recherche habe ein unerfreuliches Erlebnis gestanden. „Im Laufe der Recherche hat sich gezeigt, das es offensichtlich ein Grundmuster seines Verhaltens gegenüber Frauen ist.“

Ihn erfreue, sagte Osterkorn weiter, dass sich jetzt zunehmend Frauen beim Magazin meldeten, die berichteten, dass so etwas nicht nur unter Politikern, sondern auch in Unternehmen gang und gäbe sei. Junge Frauen akzeptierten einen solchen Stil nicht mehr. Er deutete an, dass das Magazin beim dem Thema nachlegen wolle.

Himmelreich wurde weiter zitiert, sie finde es wichtig, dass die Debatte über den Umgang zwischen Politikern und jungen Journalistinnen geführt werde. Mit so heftigen Reaktionen habe sie nicht gerechnet.

Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner sagte im Deutschlandfunk, er halte „es für völlig unprofessionell ... und für abwegig“, dass die Journalistin „nach einem Jahr diese Belästigung auskramt“. Bemerkenswerterweise erscheine der Bericht genau zu dem Zeitpunkt, „wo derjenige, von dem sie sich belästigt gefühlt hat, eine neue herausragende Position“ in der FDP einnehme.

Der SPD-Politiker Sebastian Edathy sagte der „taz“ (Freitag): „Es zeugt für mich von einem merkwürdigen Berufsverständnis, als Journalistin um Mitternacht an einer Hotelbar ein offizielles Gespräch mit einem Politiker führen zu wollen.“ Wenn die betroffene Journalistin das Geschehen als übergriffig empfunden habe, hätte sie das schon vor einem Jahr öffentlich machen können.

Die Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae forderte Brüderle bei „Handelsblatt Online“ auf, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen: „Es ist völlig egal, ob diese jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt veröffentlicht wurden.“

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) erklärte: „Die Veröffentlichung wirft kein gutes Licht auf Rainer Brüderle. Und es ist schon verwunderlich, dass Brüderle sich noch nicht geäußert hat.“ Der Presserat teilte mit, es gebe noch keine Beschwerden zu dem „Stern“-Bericht.

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