Bayerns Rückkehr zu G9 Lehrerverbandschef Kraus: Abitur-Entscheidung Bayerns wird Schule machen

Lehrerverbandschef Kraus: „Wir brauchen anspruchsvolle Standards“

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Foto: Armin Weigel

Berlin. Bayern kehrt zum neunjährigen Gymnasium (G9) zurück. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) spricht von einer „Signalwirkung für ganz Deutschland“. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, begrüßt die Entscheidung. Warum, erläuterte der ehemalige Gymnasialdirektor im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter:

Kraus: Ich bin froh darüber. Schon bei der kopflosen Einführung des verkürzten Gymnasiums, also G8, vor 13 Jahren unter dem damaligen bayerischen Regierungschef Stoiber habe ich zu den heftigsten Kritikern dieser Maßnahme gehört. Ich habe als Schulleiter 22 Abitur-Jahrgänge erlebt, davon 17 mit G9 und fünf mit G8. Und ich musste feststellen, dass die Abiturienten nach acht Jahren erstens weniger können und zweitens auch in ihrer Persönlichkeit um ein Jahr weniger reif waren als die G9-Absolventen.

Kraus: Ja, denn Bayern ist ja kein Mini-Land. Und wenn ich sehe, dass es auch im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein viele Eltern-Initiativen zur Wiedereinführung von G9 gibt, dann kann dieser Wunsch durch das bayerische Beispiel dort nur beflügelt werden.

Kraus: Ein reines G8 haben im Osten nur Thüringen und Sachsen. Und dort hat sich das auch nicht zur vollsten Zufriedenheit bewährt. Im Prinzip funktioniert G8 dort nur, weil der Anteil der Abiturienten an allen Schülern vergleichsweise niedrig ist. Obendrein zeigen Leistungsvergleiche bei den Fremdsprachen, dass die neuen Länder hier nicht gerade toll aufgestellt sind.

Kraus: Der internationale Vergleich hinkt, weil es nur in Deutschland das Prinzip der allgemeinen Hochschulreife gibt. Andere Länder haben andere Systeme für den Hochschulzugang. Mit dem Abitur hat man dort oft nur eine fachgebundene und damit eingeschränkte Berechtigung zum Studieren.

Kraus: Das ist zweifellos ein Problem. Allerdings, auch unabhängig von G8 oder G9 wird die Vergleichbarkeit immer schwieriger.

Kraus: Wenn vor allem die Stadtstaaten die bundesweiten Bildungsstandards seit Jahr und Tag missachten, dann läuft grundsätzlich etwas schief. Es kann doch nicht sein, dass zum Beispiel das Land Berlin innerhalb von zehn Jahren eine Verzehnfachung der 1,0-Abitur-Zeugnisse verzeichnet oder der schlechte Notendurchschnitt bei einer Klausur im Land Hamburg vom dortigen Senator kurzerhand von 3,9 auf 2,9 aufgebessert wird. Von der Kultusministerkonferenz erwarte ich, dass sie die Richtlinien zur wechselseitigen Anerkennung der Abitur-Zeugnisse auf den Prüfstand stellt, wenn sich an diesen unhaltbaren Zuständen nichts ändert.

Kraus: Das wäre natürlich die beste Lösung, obwohl ich da ehrlich gesagt wenig Hoffnung habe. Schon im Interesse der Eltern, die mit ihren Kindern berufsbedingt von A nach B ziehen, wäre jedoch viel gewonnen, wenn sich alle 16 Länder endlich auf anspruchsvolle Standards bei Lehrplänen und Prüfungsverfahren einigen könnten.

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