Wie sich die Grünen neu sortieren

Simone Peter gibt Chefposten nun doch auf. Dafür geht die Pateilinke Piel ins Rennen.

 Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter kandidiert nun doch nicht für eine weitere Amtszeit.

Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter kandidiert nun doch nicht für eine weitere Amtszeit.

Foto: dpa

Berlin. Drei Wochen vor dem Wahlparteitag der Grünen hat Parteichefin Simone Peter ihre schon angekündigte erneute Kandidatur für den Spitzenposten wieder zurückzogen. Dafür geht nun eine andere Frau des linken Parteiflügels ins Rennen: die niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel.

Sie wolle sich der Erneuerung der Parteispitze nicht verschließen, schrieb Peter jetzt in einem Brief an ihre Partei. Dabei hatte die einstige Umweltministerin des Saarlandes noch im Oktober angekündigt, sich auf dem Bundesparteitag Ende Januar in Hannover erneut zur Wahl zu stellen. Um Peters Erfolgsaussichten stand es allerdings schlecht, nachdem im Dezember die zum Realo-Flügel zählende brandenburgische Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock ihren Hut in den Ring geworfen hatte.

Baerbock ist ebenfalls Umweltexpertin und hat sich damit bei den Jamaika-Sondierungen einen Namen gemacht. Und sie ist erst 37 und damit 15 Jahre jünger als Peter. Viele Grüne sehen schon deshalb in ihrer Person einen Neuanfang. Derweil vermochte Peter wegen ihrer vergleichsweise schwachen Ausstrahlung selbst den eigenen Parteiflügel zuletzt immer weniger zu überzeugen, weshalb dort fieberhaft nach Ersatz gefahndet wurde.

Mit der niedersächsischen Fraktionschefin Anja Piel ist er nun offiziell gefunden worden. Die gebürtige Lübeckerin - genauso wie Peter Jahrgang 1965 - gilt schon wegen ihres derzeitigen Postens politisch als Generalistin, ist aber bundespolitisch noch ein unbeschriebenes Blatt. Mit der Kandidatur Piels sei Bewegung in die Kandidatenfrage gekommen, die sie bewogen habe, „den Platz frei zu machen“, begründete Peter ihren Verzicht. Nun gebe es ein „breites Angebot für die Parteispitze“.

Komplettiert wird die Kandidatenliste durch den schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck, der seine Bewerbung ebenfalls schon im Dezember offiziell verkündet hatte. Habeck gilt als grüner Hoffnungsträger schlecht hin und wird ebenso wie Bearbock im Realo-Flügel der Partei verortet.

Das Problem dabei ist, dass die Grünen für ihre Doppelspitze gleich zwei Quotierungen haben. Weniger die satzungsgemäße, wonach mindestens eine der beiden Parteichefs eine Frau sein muss. Wohl aber die traditionelle, ungeschriebene, wonach sich das Führungsduo aus Vertretern beider Parteiflügel rekrutieren soll. So betrachtet hat Anja Piel als linke Flügelfrau gute Aussichten, sich gegen Bearbock durchzusetzen. Allerdings haftet Piel parteiintern ein Verlierer-Image an, weil die niedersächsischen Grünen bei den vorgezogenen Landtagswahlen im vergangenen Oktober von der Regierungs- auf die Oppositionsbank verwiesen wurden. Derlei ungute Erinnerungen könnten bei der Entscheidung der Parteitagsdelegierten in drei Wochen durchaus eine Rolle spielen.

Auch für Robert Habeck ist das Rennen noch nicht gelaufen. Zwar gibt es absehbar keine männliche Konkurrenz. Vor der Wahl des neuen Führungsduos muss der Parteitag aber noch über eine wichtige Satzungsfrage entscheiden, an der Habecks politisches Schicksal hängen könnte. Im Dezember hatte er angekündigt „Pi mal Daumen“ noch ein Jahr lang parallel zum Parteivorsitz auch Minister in Kiel bleiben zu wollen, um einen reibungslosen Übergang seiner dortigen Amtsgeschäfte zu gewährleisten.

Nach der grünen Satzung darf Habeck aber nicht gleichzeitig Grünen-Chef und Regierungsmitglied sein. Für den Parteitag liegen deshalb schon mehrere Anträge vor, die von einer Lockerung bis zur völligen Abschaffung der Trennung von Amt und Mandat reichen. Der amtierende Co-Chef Cem Özdemir empfahl am Montag seiner Partei, wenigstens auf die Flügel-Quotierung zu verzichten und es bei der Frauenquote zu belassen. Sonst sei es „vielleicht manchmal ein bisschen zu viel des Guten“, meinte er ironisch. Özdemir hat allerdings auch nichts mehr zu verlieren, nachdem er schon vor längerer Zeit seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur verkündet hatte.

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