G20-Krawalle Warum die CDU Hamburgs OB Scholz nach dem Gipfel-Desaster beispringt

Hamburgs Bürgermeister und SPD-Vize Olaf Scholz ist in Bedrängnis — die Union hält sich mit Kritik vornehm zurück. Denn noch sitzt man gemeinsam im Gipfel-Boot.

G20-Krawalle: Warum die CDU Hamburgs OB Scholz nach dem Gipfel-Desaster beispringt
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Berlin. Seine Verteidigungsstrategie: Flucht nach vorn, möglichst viele Fernsehauftritte und Interviews. Seine Einschätzung: Es sei nicht gelungen, für Sicherheit zu sorgen, „so wie wir uns das vorgestellt haben“. Sein Fazit: Er denke nicht an Rücktritt. Olaf Scholz, Hamburgs erster Bürgermeister, steht derzeit erheblich unter Druck. Vom heimlichen SPD-Star könnte er jetzt zur tragischen Figur werden.

Scholz wirkt in diesen Tagen ziemlich bedröppelt, nachdem Teile seiner Stadt von Gewalttätern in Schutt und Asche gelegt worden sind. Vor dem G20-Gipfel hatte der Bürgermeister noch mehrfach zur Gelassenheit geraten, Hamburg könne die Sicherheit seiner Gäste und seiner Bevölkerung „garantieren.“ Danach hat sich gezeigt: Das war eine krasse Fehleinschätzung.

Ausschreitungen beim G20-Gipfel
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Für die SPD kommt das Hamburger Desaster zur Unzeit, denn Scholz und die Frage nach seiner politischen Verantwortung stören den beginnenden Bundestagswahlkampf. Das wiederum finden die Genossen extrem unfair: Denn dass der Gipfel überhaupt in der Hansestadt stattfand, hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewollt. Aber anders als Scholz, der auch stellvertretender Parteivorsitzender ist, steht Merkel kaum unter Beschuss.

Kanzlerkandidat Martin Schulz sprang dem 59-Jährigen deshalb zur Seite: Er habe mit ihm am Morgen telefoniert, ließ der Parteichef gestern wissen. Ein solches Ereignis „parteitaktisch auszuschlachten“, zeige vor allem mangelnden Respekt gegenüber den Polizeibeamten, „die da unsere Demokratie geschützt haben“. Außerdem betreibe man mit diesen „kleingeistigen Scharmützeln“ das Geschäft derer, die in „terroristischer Art“ eine Stadt in Geiselhaft genommen hätten.

"Apocalypse Now" - G20-Randale in Hamburg
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Fakt ist freilich: Merkel und die erster Reihe ihrer Regierung sowie der Union halten sich bewusst zurück mit Kritik an Scholz. Weil man in einem Gipfel-Boot sitzt, springt man dem Bürgermeister (noch) zur Seite: „Ich kann keine Begründung erkennen, warum er zurücktreten sollte“, betonte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Man dürfe nicht davon ablenken, „wer schuld ist - nämlich eine Gruppe von gewissenlosen Randalierern“. CDU-Generalsekretär Peter Tauber erklärte nach den Gremiensitzungen seiner Partei: „Die Rücktrittsforderungen machen wir uns nicht zu eigen.“ Er könne aber verstehen, wenn die Stimmungslage in Hamburg eine andere sei.

Die zweite Reihe in der Union darf hingegen ein wenig angreifen: „Jemand wie Olaf Scholz weiß, dass er gemessen wird an dem, was er vorher gesagt hat“, so Präsidiumsmitglied Jens Spahn vielsagend. Außerdem werde Linksextremismus in Deutschland seit Jahren verharmlost. „Linke und Teile von SPD und Grünen sind auf dem Auge völlig blind.“ CSU-Innenexperte Stephan Mayer kritisierte, gegenüber linken Kriminellen würde zu sehr „Mitleid und Toleranz an den Tag gelegt.“ Bei der SPD weiß man, dass man nun gehörig aufpassen muss, damit die Ereignisse dem eigenen Wahlkampf nicht schaden. Dementsprechend laut fordern Sozialdemokraten wie Bundesjustizminister Heiko Maas harte Strafen und eine europaweite Extremisten-Datei. Außenminister Sigmar Gabriel plädiert sogar für eine „europaweite Fahndungsgruppe“, um die Täter schnell zu ermitteln.

Und Scholz? Viele in der SPD hatten in ihm schon den kommenden Mann gesehen. In Hamburg regiert der eher dröge Scholz seit Jahren unangefochten, erst mit absoluter Mehrheit, dann mit den Grünen. Führungsstärke, Klarheit und Verlässlichkeit sind bislang seine Stärken gewesen. Scholz galt vielen bisher als potentieller Nachfolger von Martin Schulz, falls die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am 24. September verlieren sollten. Nach den Hamburger Chaos-Tagen dürfte sich das geändert haben.

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