Analyse Warum der Mindestlohn in zwei Stufen steigen wird

Vier Millionen Geringverdienende sollen von guten Tarifabschlüssen profitieren. Kommission legt Vorschlag vor.

 Der gestern vorgestellte Mindestlohnbericht zieht eine positive Bilanz. Arbeitsplätzewürden nicht gefährdet, heißt es darin. Foto: dpa

Der gestern vorgestellte Mindestlohnbericht zieht eine positive Bilanz. Arbeitsplätzewürden nicht gefährdet, heißt es darin. Foto: dpa

Foto: Jens Büttner

Berlin. Der Mindestlohn soll zum 1. Januar 2019 von 8,84 auf 9,19 Euro pro Stunde steigen. Anfang 2020 erhöht er sich dann auf 9,35 Euro. Das hat die Mindestlohnkommission gestern in Berlin bekannt gegeben. Dem Vorschlag muss die Bundesregierung noch zustimmen, was aber als sicher gilt. Nachfolgend die wichtigsten Zahlen und Hintergründe zur künftigen Lohnuntergrenze:

Wie schon bei der ersten Anpassung im vergangenen Jahr war auch diesmal die Entwicklung der tariflichen Stundenlöhne maßgebend. Konkret ging es dabei um die Lohnsteigerungen in den Jahren 2016 und 2017. Daraus errechnete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden einen so genannten Tarifindex. Auf dieser Grundlage ermittelte die Kommission die erste Erhöhung um 35 Cent auf 9,19 Euro. Für die zweite Stufe wurden die Tarifabschlüsse im ersten Halbjahr 2018 berücksichtigt. Ausschlaggebend für die Erhöhung um weitere 16 Cent auf 9,35 zum 1. Januar 2020 waren hier die neuen Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst sowie in der Bau- und in der Metallbranche.

Nach Gewerkschaftsangaben profitieren etwa vier Millionen Beschäftigte. Für einen Mindestlohnempfänger mit einer 40-Stunden-Woche steigen die monatlichen Bezüge im kommenden Jahr demnach brutto um 60,66 Euro. Zum 1. Januar 2020 kommen knapp 28 Euro oben drauf. Dass die aktuelle Anpassung anders als beim ersten Mal in zwei Schritten erfolgt, erklärte die Kommission mit der „Kultur der Tarifverträge“. Gemeint ist damit auch die Tatsache, dass Tarifabschlüsse mittlerweile häufig eine stufenweise Lohnanhebung enthalten, die auf einen längeren Zeitraum verteilt ist.

Nein. Im Arbeitsauftrag der Kommission heißt es, für die Entscheidung werde in einer „Gesamtabwägung“ geprüft, „welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung nicht zu gefährden“. Diese Vorgaben sah Kommissionschef Jan Zilius ausdrücklich als erfüllt an. Steffen Kampeter, er sitzt in dem Gremium für die Arbeitgeberseite, machte allerdings deutlich, dass die nächste turnusmäßige Anpassung im Jahr 2021 niedriger ausfallen könne, falls sich die Konjunktur wegen des drohenden Handelskrieges mit den USA eintrübt.

Laut Gesetz ja. Aber in der Praxis wird die Lohnuntergrenze immer noch häufig von Betrieben umgangen. Nach dem aktuellen Bericht der Kommission schwankt die Zahl der betroffenen Beschäftigten je nach Datenquelle zwischen 750 000 und 1,8 Millionen. Zu den Tricks in manchen Unternehmen gehören eine falsche oder gar keine Erfassung der Arbeitszeit, eine ungerechtfertigte Anrechnung von Kost und Logis sowie Leistungsvorgaben, die nur über die bezahlten Arbeitsstunden hinaus zu bewältigen sind.

Von den 28 EU-Staaten haben 22 einen nationalen Mindestlohn. Er liegt zwischen 1,57 Euro in Bulgarien und 11,55 Euro in Luxemburg. Aussagekräftiger ist allerdings das jeweilige nationale Lohnniveau. Gemessen daran ist der Mindestlohn selbst in Lettland oder der Slowakei noch höher als in Deutschland. Beim Mindestlohnniveau lag Deutschland im Jahr 2016 nur auf Platz 14 unter den EU-Staaten.

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