Interview mit Volker Beck Volker Beck zum Islamgesetz: „Die realen Probleme müssen auf den Tisch“

Köln/Berlin. Volker Beck, religions- und migrationspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, lehnt den in der CDU kontrovers diskutierten Vorstoß zu einem Islam-Gesetz ab. Der Kölner Bundestagsabgeordnete hat nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken.

Volker Beck bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin.

Volker Beck bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin.

Foto: Maurizio Gambarini

Ein Verbot beispielsweise der Auslandsfinanzierung könne am Ende auch deutsche politische Stiftungen und NGOs im Ausland treffen, warnt Beck. Er plädiert stattdessen für einen Neustart der Islamkonferenz. Mit ihm sprach WZ-Chefredakteur Ulli Tückmantel.

Herr Beck, was stört Sie an einem Islam-Gesetz?

Volker Beck: Man kann kein Gesetz für eine einzelne Religion machen. Das lässt unsere Verfassung nicht zu.

Wenn es eine einzelne Religion ist, die Probleme bereitet, muss das Grundgesetz doch Möglichkeiten einer Regelung zulassen.

Beck: Es gibt in Deutschland keine Amtskirche, und deshalb gibt es natürlich auch keinen Staats-Islam. Wir können uns nicht ohne unzulässige Eingriffe in die Religionsfreiheit einen Islam nach unserem Bild und Gleichnis schaffen. Die Verfassung garantiert den Religionen das Recht, ihre Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst zu organisieren. Wichtiger wäre daher, dass man gemeinsam mit den Bundesländern — in deren Kompetenz es fällt — die religionsrechtlichen Fragen diskutiert. Da hat man in der Vergangenheit aus pragmatischen Gründen zu wenig auf die religionsrechtlichen Schranken geachtet und sich mit Gutachten aus der politischen Verantwortung gestohlen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Beck: Am weitesten ist Hessen mit der Anerkennung von Ditib als Religionsgemeinschaft gegangen, und das auf der Grundlage von nicht veröffentlichten Gutachten. Man hat dabei die realen Verhältnisse in den Verbänden nicht wirklich zur Kenntnis genommen: die Imame sind gar nicht von Ditib, sondern von der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Deshalb hat die Ditib ja in der Spionage-Affäre betont, gar sie keinen dienstrechtlichen Zugriff auf die Imame in ihren Moscheen hat. Man muss auch die Frage stellen, wem eigentlich die Moscheen gehören. Nach meinen Informationen nicht in jedem Fall den Vereinen vor Ort, sondern tatsächlich auch der Kölner Zentrale. Man sieht also, dass die Vereine vor Ort womöglich leere Hüllen sind, die nichts zu melden haben. Alles wird direkt aus Ankara oder für Ankara von Köln aus gesteuert, und das erfüllt eben nicht die Bedingung, dass Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbständig organisieren.

Sie sagen, die Islamkonferenz sei eine gute Idee gewesen, habe aber entscheidende Fragen nicht bearbeitet. Was müsste für einen Neustart geschehen?

Beck: Man müsste erst einmal alle Akteure, Regierung, Bundestag und Länder, an einen Tisch bringen und die zu klärenden Probleme verbindlich anpacken. Wir brauchen vielleicht auch jenseits des Verfassungsschutzes eine wissenschaftliche Institution, etwa eine Stiftung, die Klarheit und Transparenz in die muslimische Landschaft bringt und so eine Grundlage und Hilfestellung für Dialog und Kooperation mit dem organisierten Islam bringt. So kann der Neustart der Islampolitik vielleicht doch noch gelingen. Manches, wie Feiertagsrecht und islamische Bestattungen, ist in einigen Ländern schon geregelt, aber es ist natürlich nicht gut, wenn es jeder anders und manche es gar nicht machen. Eine Frage ist, wie muslimische Kinder in den Genuss von bekenntnisförmigen Religionsunterricht an staatlichen Schulen kommen können. Da kann man viel von NRW lernen. Zum anderen erwarte ich, dass man tatsächliche Probleme nicht klein redet oder gar wegschaut.

Sie meinen die Spionage durch türkische Imame.

Beck: Das gibt mir schon zu denken. Ich frage mich bei der Strafverfolgung schon, wer da — womöglich mit Vorsatz — schlampt und warum. Der BND hat laut Auskunft des Innenstaatssekretärs seine Informationen über die Auslandsspionage-Anweisung der Diyanet lange vor Dezember nicht an die Spionageabwehr gegeben. Der Hauptverantwortliche ist keinen Ermittlungen zugeführt worden, obwohl ich sowohl das BKA wie auch den Generalbundesanwalt über seinen Aufenthalt in unserem Land in Kenntnis gesetzt hatte. Das sieht alles ein bisschen danach aus, dass da jede Eskalation vermieden werden sollte. Es ist kein gutes Signal, wenn wir rechtswidriges Verhalten dulden und hinter unseren strafprozessualen Möglichkeiten zurückbleiben.

Ein handfestes Problem ist aber auch die Auslands-Finanzierung beispielsweise durch die Türkei. Warum raten Sie zu diesem Thema, sich von deutscher Seite zurückzuhalten?

Beck: Das ist real ein Problem. Wenn man das machen will, geht auch das nicht nur für den Islam, sondern eine solche Regelung betrifft dann alle Religionsgemeinschaften und wahrscheinlich auch alle Nicht-Regierungsorganisationen. Dann muss man sich aber auch fragen: Was heißt das für die Tätigkeit unserer politischen Stiftungen im Ausland und die deutsche Förderung von ausländischen NGOs? Was heißt das für deutsche Auslandsgemeinden unserer Kirchen? Wenn man bei der Auslandsfinanzierung tätig werden will, kann man sich schlecht beklagen, dass andere Länder möglicherweise entsprechend auf uns reagieren. Das hat Deutschland bei anderen Ländern in der Vergangenheit als Freiheitsbeschränkung der Zivilgesellschaft kritisiert. Da warne ich vor unbedachten gesetzgeberischen Schnellschüssen.

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