Verfassungsbeschwerde wegen Zuschauerregelung im NSU-Prozess

Karlsruhe/München (dpa) - Der Streit um die Platzvergabe im NSU-Prozess nimmt kein Ende. Nun liegt eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe vor. Dabei geht es aber nicht um den Zugang für Journalisten, sondern um die Einlassregelung für Zuschauer.

Wie ein Gerichtssprecher bestätigte, ist eine erste Beschwerde in Karlsruhe eingegangen. Nach einem Bericht des „Münchener Merkurs“ wehrt sich eine in Deutschland lebende Türkin dagegen, dass alle Zuschauer beim Betreten des Gerichtssaals ihren Ausweis kopieren lassen müssen. Auch die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ prüft nach Angaben ihres Deutschland-Korrespondenten eine Klage.

Der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) beginnt am 17. April vor dem Oberlandesgericht München. Das Gericht war vor allem in die Kritik geraten, weil es für türkische Medien keine festen Plätze im Gerichtssaal garantiert. Die Plätze wurden strikt nach Eingang der Akkreditierung vergeben.

Das Gericht hatte zuvor auch die Bitte um eine Platzreservierung für den türkischen Botschafter abgelehnt. Acht der zehn NSU-Mordopfer hatten türkische Wurzeln. Auch ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin wurden Opfer.

„Es wird oft der Eindruck vermitteln, dass wir verschlafen hätten. Das stimmt nicht“, betonte der Deutschland-Korrespondent der „Hürriyet“, Celal Özcan. „Der zuständige Redakteur in München hat immer wieder beim OLG angerufen und darum gebeten, dass er informiert würde.“ Es habe für „Hürriyet“ jedoch keine Vorabinformation gegeben, wann die Akkreditierungsfrist beginnen würde. „Die Verfahrensweise ist ungerecht und nicht akzeptabel“, sagte Özcan. „Wir prüfen derzeit mit unseren Anwälten, ob eine Klage gegen die Platzvergabe Sinn hat.“

Der thüringische FDP-Generalsekretär Patrick Kurth, der dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages angehört, wies die Forderung des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu nach Teilnahme türkischer Politiker am Prozess zurück. „Es gibt kein grundsätzliches Recht für Politiker auf Teilnahme an einem Prozess; das ist auch für deutsche Abgeordnete schwierig“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Die Gewaltenteilung wird in diesem Land verteidigt und gilt auch für den NSU-Prozess.“

Der türkische Außenminister Davutoglu hatte sich in einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Guido Westerwelle dafür eingesetzt, dass türkische Staats- und Medienvertreter als Beobachter teilnehmen können. Wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß, habe Westerwelle Verständnis geäußert, aber auf die Unabhängigkeit der Justiz verwiesen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz, rief die Türkei zur Mäßigung auf. „Das Münchner Oberlandesgericht hat es bei der Vergabe von Zuschauerplätzen für den NSU-Prozess sicher am nötigen Fingerspitzengefühl fehlen lassen“, sagte der CDU-Politiker der „Berliner Zeitung“ (Dienstag). „Aber ich möchte die türkische Politik dringend warnen, das Rad der Kritik nun noch eine Umdrehung weiter zu drehen.“

Das OLG will aber weiter nichts an der Platzvergabe ändern. Wenn es eine neue Entwicklung gebe, werde das Gericht dies mitteilen, erklärte eine Sprecherin am Dienstag. Für die türkischen Medien ist das Thema besonders sensibel. Türken wurden in Deutschland mehrfach Opfer von Rechtsradikalen. Vor 20 Jahren starben bei den Brandanschlägen in Mölln und Solingen Landsleute, unter ihnen Kinder.

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