Verbraucher müssen für Windpark-Pannen mithaften

Berlin (dpa) - Der Bau von Windparks in Nord- und Ostsee soll durch eine Kostenabwälzung auf die Stromverbraucher beschleunigt werden.

Gegen die Stimmen von SPD, Grünen und Linken setzte die schwarz-gelbe Koalition am Donnerstag im Bundestag mehrere Neuerungen beim Energiewirtschaftsgesetz durch. Ab 2013 soll ein Großteil der milliardenschweren Entschädigungen für die Anschlussprobleme bei Meer-Windparks umgelegt werden. Zusammen mit weiteren Belastungen durch Maßnahmen gegen Blackouts muss ein durchschnittlicher Haushalt damit etwa 13 Euro zusätzlich pro Jahr über den Strompreis zahlen.

Die Opposition kritisierte, die Stromverbraucher müssten nun ausbaden, dass die Bundesregierung die Herausforderungen bei der Installation von Windparks in Nord- und Ostsee völlig unterschätzt habe. Schon ohne die neuen Umlagen steigen die Strompreise Anfang 2013 mit durchschnittlich 12 Prozent so stark wie selten zuvor. Gründe sind höhere Ausgaben für die Förderung erneuerbarer Energien, Rabatte für die Industrie und die Kosten des Netzausbaus.

Durch die nun beschlossene Minderung der finanziellen Risiken für die Netzbetreiber sollen Investoren angelockt werden, die fehlendes Kapital für den Anschluss der Meer-Windparks beisteuern könnten. „Wir machen den Weg frei für Milliardeninvestitionen“, betonte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im Bundestag.

Zudem beschloss das Parlament eine „Winterreserve“ bei Kraftwerken. Um Blackouts zu verhindern, sollen unrentabel gewordene Gaskraftwerke notfalls zum Weiterbetrieb gezwungen werden. Ferner erhalten energieintensive Unternehmen - zum Beispiel Aluhütten oder Stahlwerke - Geld, wenn sie bei Engpässen auf eine bestimmte Menge Strom verzichten. Quasi auf Zuruf kann ihnen dann innerhalb von maximal 15 Minuten eine bestimmte Strommenge gekappt werden. Pro Megawatt „Abschaltleistung“ sollen sie 20 000 Euro pro Jahr bekommen.

Auch diese Kosten werden, ebenso wie Entschädigungen für das Abschaltverbot, auf die Strompreise umgelegt. Stimmt der Bundesrat in seiner Sitzung am 14. Dezember zu, können die Regelungen von Januar an in Kraft treten. Bisher zeichnet sich keine Blockade ab - gerade die norddeutschen Länder hoffen, dass es nun rascher vorangeht bei der Offshore-Windkraft, viele Firmen leiden unter den Verzögerungen.

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil warf dem federführend für die Reformen zuständigen Wirtschaftsminister Rösler im Bundestag vor, die Strompreise anzuheizen. „Sie sollten keine Krokodilstränen über höhere Strompreise vergießen.“ Indem Zusatzkosten für Windparks abgewälzt würden, treibe Rösler selbst die Energiekosten in die Höhe.

Rösler verteidigte die Belastungen durch die Haftungsumlage. Die Kosten für die Verbraucher würden gedeckelt auf ein Prozent des Strompreises, die Ausgaben dienten der Versorgungssicherheit. Ein Netzbetreiber soll pro Jahr bei verspäteten Anschlüssen oder Störungen maximal 110 Millionen Euro selbst bezahlen. Der Rest kann über die Netzentgelte auf die Verbraucher abgewälzt werden. Schon jetzt ist mit Entschädigungen von einer Milliarde Euro zu rechnen.

Der Netzbetreiber Tennet hat bisher erhebliche Probleme bei den Anschlüssen der Windparks in der Nordsee. Tennet ist nach eigenen Angaben für den Anschluss von zehn Offshore-Projekten mit einer Kapazität von 5500 Megawatt und Kosten von rund sechs Milliarden Euro zuständig. Geschäftsführer Lex Hartmann begrüßte den Beschluss: Das Gesetz bringe mehr Rechtssicherheit für Windenergie auf See.

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Offshore-Windenergie, Jörg Kuhbier, betonte, jetzt müsse Tennet aber auch liefern. „Ohne eine schnelle Lösung des Finanzierungsproblems von Tennet droht jede gesetzliche Regelung ins Leere zu laufen“, betonte Kuhbier.

SPD-Fraktionsvize Heil nannte den Offshore-Ausbau sinnvoll, betonte aber zugleich, von einer fairen Lastenverteilung könne keine Rede mehr sein. „Das ist reine Planwirtschaft“, sagte er. „Was machen Sie mit diesem Gesetz? Flickschusterei.“ Rösler sei der Aufgabe nicht gewachsen. Der Grünen-Energiepolitiker Oliver Krischer nannte die Offshore-Haftungsregelung eine „Bankrotterklärung“. „Das ist Schilda live. Da werden Windparks gebaut, ohne dass Netze da sind.“

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