Streitthemen Union und SPD pokern vor Koalitionsverhandlungen weiter

Berlin (dpa) - Vor dem anstehenden Beginn der Koalitionsverhandlungen hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund Union und SPD aufgefordert, sich deutlich stärker Themen der Digitalisierung zuzuwenden.

Streitthemen: Union und SPD pokern vor Koalitionsverhandlungen weiter
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„Im Sondierungspapier fehlt eine ernsthafte Strategie und die konkrete Zusage, die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen“, kritisierte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Mit „halbherzigem Engagement“ lasse sich die Digitalisierung als entscheidende Zukunftsfrage nicht meistern. Wer nur über Geld streite, habe die Dimension des Themas nicht erkannt.

Union und SPD dagegen streiten vor allem darüber, ob es bei zentralen Streitthemen noch Änderungen über das Sondierungsergebnis hinaus geben kann. Der SPD-Parteitag am vergangenen Sonntag hatte der Parteiführung aufgetragen, mindestens drei Punkte durchzusetzen: eine Annäherung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, eine „weitergehende Härtefallregelung“ beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus und die Abschaffung grundloser Jobbefristungen.

Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig pocht auf weitere Schritte gegen solche Befristungen. „Es ist doch niemandem mehr zu erklären, dass es in Zeiten eines wachsenden Fachkräftemangels so viele sachgrundlose Befristungen gibt“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Redaktion zufolge erfolgt etwa jede zweite Neueinstellung ohne Sachgrund befristet. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) habe dem DGB-Vorstand bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert, hieß es.

Der DGB unterstützt die SPD bei ihrem Vorhaben. „Heute gibt es acht Sachgründe, aus denen Jobs befristet werden können - das bietet den Arbeitgebern mehr als genug Flexibilität“, sagte DGB-Vorstand Annelie Buntenbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Arbeitgebervereinigung BDA stellte sich jedoch dagegen. Wenn Union und SPD Handlungsbedarf sähen, könnten sie die Befristungen im öffentlichen Dienst reduzieren, sagte ihr Präsident Ingo Kramer.

Beim Thema Krankenversicherung zeigte sich in engen Grenzen auch Junge-Union-Chef Paul Ziemiak kompromissbereit. Man könne „über einzelne Verbesserungen bei der ärztlichen Versorgung sicher reden“, sagte er der Heidelberger „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Mittwoch). Dem Wunsch der SPD, sich in Richtung einer Bürgerversicherung zu bewegen, erteilte Ziemiak jedoch eine Absage: „Die Bürgerversicherung der SPD würde für gesetzlich Versicherte keine Verbesserungen bringen, aber schlechtere Leitungen für privat Versicherte.“ Ähnlich hatte sich schon Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) geäußert.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bremste unterdessen Kompromisssignale aus der CDU an die SPD in Sachen Familiennachzug von Flüchtlingen aus. „ Es bleibt bei der fest vereinbarten Regelung zum Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige aus dem GroKo-Vorvertrag. In der Sondierung wurde alles geregelt“, sagte Scheuer der Deutschen Presse-Agentur.

In den Sondierungsgesprächen hatten Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug eng zu begrenzen: auf 1000 Menschen pro Monat. Die SPD verlangt in diesem Punkt aber Nachbesserungen, etwa in Form einer weitergehenden Härtefallregelung. Das lehnt die CSU aber strikt ab.

Scheuer reagierte mit seiner Intervention auf Äußerungen von Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther. Dieser hatte am Dienstag in der Fernsehsendung „NDR Aktuell“ gesagt: „Es ist besser, Familien zusammenzuführen, weil es der Integration in unserem Land hilft.“ Gerade als christliche Partei habe die CDU ein Interesse an der Zusammenführung von Familien. Scheuer sagte dazu: „Deutschland zeigt der Welt eine wirklich hohe humanitäre Verantwortung gerade für Flüchtlingsfamilien. Die Integrationsfähigkeit in unserem Land ist aber begrenzt.“ Deswegen werde es bei der vereinbarten Familiennachzugs-Regelung bleiben.

Auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sprach sich dagegen aus, das Sondierungsergebnis generell nachzuverhandeln. „Neue Diskussionen über die bereits gefundene gemeinsame Basis vergiften das Klima in den Koalitionsverhandlungen und verzögern nur die Regierungsbildung weiter“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch). „Für mich stellt sich dann auch die Frage nach der Zuverlässigkeit von Absprachen mit der SPD.“

Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz hatten sich am Montag zu Vorabsprachen getroffen. Die offiziellen Verhandlungen werden nicht vor Freitag starten, weil die SPD intern noch Beratungsbedarf hat. Dem Vernehmen nach kommt das SPD-Team erst am Donnerstag zu Vorgesprächen zusammen. An diesem Mittwoch ist Merkel zunächst beim Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sie eine europapolitische Rede halten wird.

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