Union sucht Koalitionspartner

Berlin (dpa) - Parallel zu den ersten Fraktionssitzungen im neu gewählten Bundestag loten Union und SPD jeweils für sich die Grundlagen für Gespräche über eine große Koalition aus.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) bot der SPD bereits ein konkretes Procedere für Koalitionsverhandlungen an. Bei den Sozialdemokraten positionierten sich vor allem Vertreter des linken Flügels als Gegner einer Neuauflage von Schwarz-Rot. Nachdem sich bei den Grünen nach ihrer Wahlniederlage ein größerer Führungswechsel abzeichnet, rückte die Debatte über Schwarz-Grün zunächst etwas in den Hintergrund.

Die Diskussion über Konsequenzen aus dem Wahlergebnis vom Sonntag dürfte auch die Gespräche am Rande der ersten Sitzungen der neuen Fraktionen bestimmen. Bei der Union stellt sich Kauder, bei der SPD Frank-Walter Steinmeier zur Wiederwahl als Fraktionschef. Bei Grünen und Linken kommen die ausscheidenden und neuen Abgeordneten zwar ebenfalls zusammen. Ihre Fraktionsspitzen werden vorerst aber noch nicht neu gewählt.

Der neue Bundestag soll nach dem Willen seines bisherigen Präsidenten Norbert Lammert (CDU) am 22. Oktober zur konstituierenden Sitzung zusammentreten. Das Datum lasse den Parteien genügend Zeit, um Konsequenzen aus der Wahl zu ziehen. Das Grundgesetz schreibt vor, dass das Parlament spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentritt - das ist der 22. Oktober.

Wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich auch SPD und Grüne im Prinzip zu Gesprächen über eine Zusammenarbeit bereiterklärt. Merkel ist auf einen neuen Koalitionspartner angewiesen, da die bisher mitregierende FDP aus dem Parlament geflogen war.

Kauder will Verhandlungen mit der SPD nicht durch Beschlüsse der noch amtierenden schwarz-gelben Koalition belasten. „Daher biete ich an, das Prozedere zu wiederholen, auf das wir uns bei den letzten Verhandlungen zur großen Koalition geeinigt hatten: Entscheidungen, die während der Verhandlungen anstehen, werden mit der Koalitionsarbeitsgruppe abgestimmt“, sagte er dem „Spiegel“. Unter Merkel hatte die Union bereits von 2005 bis 2009 mit der SPD regiert.

„Wir sollten uns für die Verhandlungen Zeit nehmen und sie nicht über das Knie brechen“, sagte Kauder, mahnte aber: „Europa wartet nicht auf die Regierungsbildung in Deutschland. Wir müssen handlungsfähig sein.“ Vielen Forderungen der SPD stehe die CDU nach wie vor ablehnend gegenüber. Von zentraler Bedeutung für Koalitionsgespräche seien die Energiewende und der Strompreis.

Die in der SPD einflussreiche NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte am Montagabend in Düsseldorf betont, die SPD sei nicht angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die Union an der Regierung zu halten. Demokratie brauche auch eine starke Opposition. Das dem linken Parteiflügel zugeordnete SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner sagte dem RBB-Inforadio am Dienstag: „Natürlich hat hier niemand die Neigung, mit Frau Merkel zusammen zu regieren.“

Bei den Grünen warnte selbst Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer, der prinzipiell als Befürworter einer Öffnung zur Union gilt, vor Schwarz-Grün. „Das wäre ein brutaler Wortbruch“, sagte der Realo dem „Mannheimer Morgen“ (Dienstag). Dies sei „nur um den Preis des totalen Gesichtsverlusts der Grünen“ möglich.

Aus der CSU kamen unterschiedliche Signale zu möglichen Verhandlungen mit den Grünen. Parteichef Horst Seehofer hatte am Montag erklärt, es gebe in der Parteispitze „überhaupt keine Bereitschaft“ für ein Bündnis mit den Grünen. In einem am Dienstag veröffentlichten „Spiegel“-Interview betonte er: „Ich werde solche Gespräche jedenfalls nicht führen. Damit hat sich das.“

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach sich indes dafür aus, Optionen für Koalitionsgespräche der Union vorerst offen zu halten. Man müsse „zunächst einmal abwarten, wie die Sozialdemokraten am Freitag in ihrem Konvent sich verhalten, eventuell sich auch entscheiden, wie die Grünen sich neu sortieren“, sagte sie im Deutschlandfunk. Die SPD will am Freitagabend bei einem Treffen von rund 200 Delegierten über einen Verfahrensvorschlag des Vorstands zu möglichen Verhandlungen mit der Union beraten.

Die Grünen beschäftigten sich vor allem mit der Neuordnung ihrer Führungsspitze. Sowohl die Parteivorsitzende Claudia Roth als auch Fraktionschefin Renate Künast wollen nicht wieder kandidieren. Künast sagte, sie wolle für das Amt der Bundestags-Vizepräsidentin antreten. Damit zeichnet sich ein Konflikt unter Grünen-Spitzenfrauen ab: Das bisher von Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt ausgeübte Amt der Vizepräsidentin des Parlaments strebt auch Parteichefin Claudia Roth an. Roth will beim Parteitag im Herbst nicht mehr als Grünen-Vorsitzende antreten.

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