Interview Terroranschlag im Glauben, "einer guten Sache zu dienen"

CDU-Innenexperte Bosbach äußert sich über den Anschlagversuch eines 12jährigen Deutsch-Irakers.

Interview: Terroranschlag im Glauben, "einer guten Sache zu dienen"
Foto: dpa

Berlin. Im Frühjahr hatte eine 15 jährige Muslimin einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Nun soll ein 12jähriger Deutsch-Iraker einen Bombenanschlag auf einen Weihnachtsmarkt versucht haben. Nach Einschätzung des CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach lassen sich gerade junge Menschen durch radikale Kräfte leicht verführen. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte nach:

F: Herr Bosbach, sind das nur Einzeltaten von Minderjährigen, oder steckt dahinter ein beunruhigender Trend?

A:
Vor kurzem ist eine umfangreiche Studie erschienen über Hintergründe und Motive der aus der Bundesrepublik in Richtung Syrien ausgereisten dschihadistischen Kämpfer. Daher wissen wir, dass ganz gezielt auch junge Menschen für den Dschihad angeworben werden. Allerdings ist deren Zahl sehr gering. Das Messer-Attentat auf den Bundespolizisten in Hannover und der Fall in Ludwigshafen sind besonders beunruhigende Fälle. Deshalb werden wir genau beobachten müssen, ob sich hier ein Trend abzeichnet.

F: Wie laufen solche Anwerbungen ab?

A:
Die Rekrutierung für den Dschihad erfolgt auf ganz unterschiedlichen Wegen: durch den Freundeskreis, durch Beeinflussung radikal-islamistischer Prediger, durch Veröffentlichungen im Internet. Und wir wissen auch, dass die Koranverteilungsaktion "Lies!" ein Mittel zur Rekrutierung war. Gerade junge Menschen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, nach Halt und Orientierung suchen, sind leicht ansprechbar, leider auch verführbar durch radikale Kräfte.

F: Gibt es Zahlen zu den potenziellen Tätern?

A:
Aus der erwähnten Studie wissen wir, dass wir es mit drei großen Gruppen zu tun haben, die sich für den Dschihad rekrutieren ließen: Deutsche Staatsangehörige, Doppelstaatler und solche Personen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit haben. Zurzeit registrieren unsere Sicherheitsbehörden in Deutschland circa 530 Personen, bei denen wir davon ausgehen können, dass sie gewaltgeneigt oder gewaltbereit sind. Darunter über 100 Personen, bei denen wir Grund zu der Annahme haben, dass von ihnen eine besondere Gefahr für die Sicherheit unseres Landes ausgeht.

F: Der junge Deutsch-Iraker wurde 2004 in Deutschland geboren, und offenbar wuchs er hier auch auf. Wie kann da eine Gehirnwäsche trotzdem fruchten?

A:
Viele, die sich in den Dienst des islamistisch motivierten Terrors stellen, haben selber keine vertieften Kenntnisse des Islam oder gar der verschiedenen Glaubensrichtungen im islamischen Spektrum. Sie sind vielmehr fasziniert von der Propaganda, dass der Islam die Antwort auf alle Fragen ist, die Lösung für ihre Probleme - und viele werden ernsthaft glauben, dass sie sich mit einem terroristischen Anschlag in den Dienst einer guten Sache stellen und dafür mit dem Aufenthalt im Paradies belohnt werden.

F: Mit 12 Jahren ist man noch nicht strafmündig. Muss sich hier etwas ändern?

A:
Der Ludwigshafener Fall wird sicherlich dazu führen, dass erneut die Frage diskutiert wird, ob man das Strafmündigkeitsalter von jetzt 14 Jahren nicht doch auf zwölf Jahre herabsetzen müsste. Die Debatte führen wir schon seit langer Zeit, immer mit dem Ergebnis, es bei der jetzigen Regelung zu lassen, was ich auch für richtig halte. Und sollte sich der Tatverdacht erhärten, würde dies ja nicht bedeuten, dass der Junge sanktionslos davon kommt. Selbstverständlich werden die zuständigen Jugendbehörden Maßnahmen ergreifen müssen, die den Jungen daran hindern, weitere Taten zu begehen.

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