Nato-Manöver Steinmeier fühlt sich als Putin-Versteher missverstanden

Außenminister löst mit Äußerungen zu Russland heftige Reaktionen aus. Merkel springt ihm bei.

Bundesaußenminister Steinmeier ist seit dem Wochenende "Putin-Versteher".

Bundesaußenminister Steinmeier ist seit dem Wochenende "Putin-Versteher".

Foto: dpa

Berlin. Das Unheil nahm am vergangenen Samstag kurz nach Mitternacht seinen Lauf. Da meldeten verschiedene Nachrichtenagenturen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) habe gegenüber einer Sonntagszeitung vor "lautem Säbelrasseln" gegenüber Russland und "symbolischen Panzerparaden" an der Nato-Ostgrenze gewarnt. Die Meldungen waren mit dem Hinweis verbunden, Steinmeier kritisiere damit die laufenden Nato-Manöver in Polen. Plötzlich hatte der Außenminister den Ruf eines "Putin-Verstehers" weg.

Tatsächlich aber hatte Steinmeier mit seiner Warnung gar nicht das von Russland scharf kritisierte Manöver "Anakonda" gemeint, bei dem 31.000 Soldaten aus 20 Staaten - darunter auch Bundeswehreinheiten - einen Angriff Russlands auf Polen abwehren üben. "Ausdrücklich nicht", wie Steinmeiers Sprecher Martin Schäfer am Montag sagte. "Hier liegt ganz offensichtlich ein Missverständnis vor".

Schäfer verwies auf das komplette Zitat, in dem der Satz steht: "Niemand kann den vorgesehenen Umfang der Nato-Maßnahmen als Bedrohung für Russland werten". Steinmeier kritisiere nur bestimmte Hardliner, die im Umfeld des Manövers schon von einem "totalen Krieg" gegen Russland redeten und die Lage anheizten, so Schäfer weiter. Man müsse nur im Internet schauen. Dort gibt es tatsächlich entsprechende Äußerungen vor allem von polnischer Seite.

Unerfindlich ist, warum das Auswärtige Amt die Fehlinterpretation so lange laufen ließ. Es brauchte mehr als einen Tag, ehe der volle Wortlaut des Steinmeier-Zitats auf der Internetseite zu lesen war. Und der Minister musste noch ein weiteres Interview geben, um seine Haltung klarzustellen. Er lasse sich nicht als "Anwalt des Kreml" diskreditieren, sagte Steinmeier da, betonte aber erneut, dass Abschreckung allein am Ende nicht ausreiche, wenn man nicht zugleich den Dialog daneben setze.

Vom Koalitionspartner CDU wurde die kurze Zeit nach Kräften genutzt, um dem Star der Sozialdemokraten eins auszuwischen. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, warf dem Minister vor, mit dem Thema Russland Parteipolitik zu betreiben und Verwirrung zu stiften. "Ich glaube, es geht um innerparteiliche Profilierung", so Röttgen. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn nannte Steinmeier gar einen "Putin-Versteher". Der Außenminister bereite mit seiner Kritik den Weg zu einem Bündnis mit der Linken.

Spahn lenkte den Blick damit auf die Bemühungen des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel um ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund. Wie zum Beweis meldete sich sogleich die Linke. "Steinmeier hat recht", jubelte ihr Chef-Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke. "Das ist seit langer Zeit eine Botschaft aus dem Außenministerium, der ich zustimmen kann".

Im Namen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprang Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag dem Bedrängten bei. Kanzlerin und Außenminister teilten die gemeinsame Überzeugung, dass es Sicherheit in Europa nur mit Russland gebe, dass aber auch Russland dafür seiner Verantwortung gerecht werden müsse. Man stimme sich sehr eng und regelmäßig miteinander ab, sagte er.

Seibert machte aber indirekt auch deutlich, wo ein wirklicher Meinungsunterscheid zwischen Steinmeier und Merkel liegt: Bei den Wirtschaftssanktionen gegen Russland, über deren Verlängerung die EU jetzt entscheiden muss. Während der Außenminister wiederholte, er sei dafür, die Strafmaßnahmen bei "substanziellen Fortschritten" des Minsker Abkommens schrittweise zu lockern, las Merkels Sprecher dazu nur den Ende Mai gefassten Beschluss des G7-Gipfels in Japan vor, der eine Lockerung erst vorsieht, wenn das Minsker Abkommen von Moskau zuvor "vollständig" erfüllt wurde. "Derzeit", so Seibert im Namen der Kanzlerin, "gibt es keinen Grund, von einer Aufhebung zu sprechen".

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