Steinbrück findet Kanzler unterbezahlt

Berlin (dpa) - Schon wieder Kopfschütteln über Peer Steinbrück: Der SPD-Kanzlerkandidat klagt über ein zu geringes Kanzlergehalt und erntet damit selbst in der eigenen Partei Widerspruch.

„Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“). Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) bescheinigte er zugleich einen „Frauenbonus“. Weibliche Wähler würden ihre Durchsetzungskraft in hohem Maße anerkennen.

Neun Monate vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 stießen die Äußerungen auch in der SPD auf Widerspruch. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) findet „die Politiker in Deutschland angemessen bezahlt“. Er habe davon immer leben können, sagte er der „Bild am Sonntag“, ohne sich dabei allerdings direkt auf Steinbrücks die Äußerungen von Steinbrück zu beziehen. „Und wem die Bezahlung als Politiker zu gering ist, der kann sich ja um einen anderen Beruf bemühen.“

Der Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz befand in der „FAS“: „Wenn wir Politiker uns an den Gehältern in der Wirtschaft orientieren, dann machen wir einen Fehler.“ Sein Kollege Hans-Peter Bartels betonte, als Kanzler wirken zu können, sei eine Ehre. „Man macht es nicht, um reich zu werden.“ Ähnlich äußerten sich der Haushaltspolitiker Carsten Schneider und Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprang dem Kandidaten bei. „Peer Steinbrück hat etwas ausgesprochen, das schlicht stimmt. Die Aufregung darüber kann ich nicht nachvollziehen“, sagte sie der „Bild“-Zeitung (Montag). Der hessische SPD-Generalsekretär Michael Roth sagte der „Welt“ (Montag): „Er hat schlicht - wie andere auch - darauf hingewiesen, dass die Maßstäbe der Dotierung von Leitungsfunktionen verloren gegangen sind.“

Steinbrück, der wegen seiner hohen Nebeneinnahmen durch Vorträge in der Kritik steht, hatte erklärt: „Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig - gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt.“ Ähnlich hatte Anfang November auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel argumentiert.

Der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), befand das Kanzlergehalt zwar gemessen an der Verantwortung ebenfalls für „sehr niedrig“. Aber: „Beschwerden darüber hat man von der Bundeskanzlerin selbst bisher jedenfalls nicht gehört“, sagte er der Zeitung. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte der „Bild“-Zeitung (Montag): „Es gibt ein in Jahrzehnten gewachsenes, ausgewogenes und auskömmliches Gehaltssystem im öffentlichen Dienst und in Staatsämtern auf allen föderalen Ebenen, das sich alles in allem bewährt hat.“

Das Bundeskabinett hatte im Mai für sich die erste Gehaltsanhebung seit zwölf Jahren beschlossen. Die Kanzlerin erhält derzeit 16 684 Euro Gehalt und eine reduzierte Abgeordnetendiät von 3969 Euro zuzüglich 4045 Euro Aufwandsentschädigungen als Kanzlerin (1023 Euro) und Abgeordnete (3022 Euro). Das Gehalt der Kanzlerin steigt zum Januar in einem weiteren Schritt um 1,2 Prozent, auch ihre Abgeordnetendiät wird dann erhöht.

Zu Kanzlerin Merkel meinte Steinbrück, sie habe sich „in einer Männerwelt durchgesetzt, wirkt sehr unprätentiös und tritt bescheiden auf“. Auch bei SPD-Wählern komme das gut an. „Das heißt aber nicht, dass ich als der Gottseibeiuns wahrgenommen werde“, fügte Steinbrück hinzu. Er werde nicht versuchen, sich grundsätzlich zu ändern oder in einem Kurs zu lernen, Beliebtheitspunkte zu sammeln.

Grünen-Chefin Claudia Roth meinte in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) zum angeblichen „Frauenbonus“ bei Kanzlerin Merkel: „Von einem Frauenbonus in der Politik habe ich übrigens noch nichts bemerkt. Im Gegenteil. Und ich bin auch schon ein paar Jahre dabei.“

Auf der Beliebtheitsskala der deutschen Politiker rangiert Merkel auf Platz zwei hinter Bundespräsident Joachim Gauck. In der vierteljährlichen Umfrage des Instituts TNS Forschung für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wünschten sich 71 Prozent der Befragten künftig „eine wichtige Rolle“ für sie. Das waren 5 Prozentpunkte mehr als im September. Für Steinbrück wünschten sich das unverändert 54 Prozent. Damit kommt er auf Platz 7 hinter den SPD-Politikern Hannelore Kraft (3.) und Frank-Walter Steinmeier (5.).

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