SPD stellt sich neu auf

Berlin (dpa) - Die SPD genießt die guten Schlagzeilen für ihren Tempo-Start in die große Koalition. Jetzt soll ein Dämpfer bei der Europawahl unbedingt vermieden werden. Die neue Generalsekretärin Fahimi überzeugt mit bissiger Analyse.

SPD stellt sich neu auf
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Die SPD will mit ihrer neuen Generalsekretärin Yasmin Fahimi trotz der großen Koalition neue Machtoptionen für 2017 ausloten. „Die Partei muss weiterdenken. Sie muss über die große Koalition hinausdenken“, sagte die 46 Jahre alte frühere Gewerkschafterin am Sonntag bei einem Sonderparteitag in Berlin mit Blick auch auf die Linkspartei. Fahimi wurde mit 88,5 Prozent zur Nachfolgerin von Andrea Nahles gewählt. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, führt die SPD als Spitzenmann in die Europawahl am 25. Mai. Er erhielt 97,3 Prozent Zustimmung.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sicherte dem Koalitionspartner Union trotz des Europawahlkampfes zu, die Regierungsarbeit nicht zu blockieren. „Wir sind nicht Gegenregierung in dieser Regierung“, sagte der Vizekanzler. Die Sozialdemokraten hielten den Koalitionsvertrag ein. Gabriel zog eine selbstbewusste Zwischenbilanz der letzten Monate. Die politische Konkurrenz schaue neidisch auf die SPD. Die sechs sozialdemokratischen Ressortchefs „werden die Motoren dieser Bundesregierung sein“.

Er hätte nichts dagegen, wenn auch die Unionsminister diese Rolle ausfüllten. Zum für Mittwoch geplanten Kabinettsbeschluss für eine Rente mit 63 bei 45 Beitragsjahren betonte Gabriel: „Das ist ein Akt der Gerechtigkeit und nicht der Ungerechtigkeit.“

Fahimi ist völlig neu in der Bundespolitik. Sie will sich im Willy-Brandt-Haus noch stärker um die Mitglieder kümmern. Vorhaltungen in den Medien, sie verdanke den Job nur dem Bonus als Frau, Migrantin oder Niedersächsin, wies die Deutsch-Iranerin entschieden zurück: „Ich bin ein Mensch, der über den Kopf den Weg in die Politik und über das Herz in die SPD gefunden hat.“

Der Kieler SPD-Landeschef Ralf Stegner, der selbst gerne Fahimis Posten bekommen hätte, wurde in Berlin mit 78,3 Prozent zum sechsten Parteivize gewählt. Neuer Schatzmeister ist der Abgeordnete Dietmar Nietan (84,3 Prozent Zustimmung).

Gabriel betonte: „Wir werden einen Europawahlkampf führen, wie wir ihn noch nie geführt haben.“ In der Vergangenheit habe die SPD mitunter die Abstimmung in Europa nicht so ernst genommen wie Bundestags- und Landtagswahlen: „Manchmal war die Kommunalwahl wichtiger als die Europawahl. Das darf uns 2014 nicht passieren“, sagte Gabriel. 2009 hatte die SPD nur 20,8 Prozent geholt.

Die SPD werde gegen Rechts- und Linkspopulisten kämpfen: „Sie alle setzen mit ihrer Propaganda das größte Zivilisationsprojekt des 20. Jahrhunderts aufs Spiel“, sagte der Vizekanzler. Namentlich der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht warf er anti-europäische Parolen vor.

Schulz, der am 1. März in Rom auch zum Spitzenkandidaten aller sozialdemokratischen Parteien in Europa gewählt werden soll, hielt eine für seine Verhältnisse kritische Europa-Rede. Er prangerte zu viel Bürokratie und Einmischung der EU-Kommission in Details an. Europa müsse wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Schulz will nächster EU-Kommissionspräsident werden.

Der Steuerbetrug müsse energischer bekämpft werden. Zugleich warnte Schulz vor gefährlichen Renationalisierungstendenzen. „Ich will ein Europa, das im Jahr 2014 nicht die Fehler von 1914 wiederholt.“ Hass, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus dürften keinen Platz in Europa haben, betonte Schulz.

Mit großer Einmütigkeit wurden 96 Kandidaten für die Europawahl bestimmt und auch ostdeutsche SPD-Politiker auf aussichtsreiche Listenplätze gesetzt. Hinter Schulz wird die Liste angeführt von Birgit Sippel (Nordrhein-Westfalen) und Udo Bullmann (Hessen). Bis zu Platz 25 bis 27 gibt es gute Chancen, bei der Wahl am 25. Mai in das Europaparlament einzuziehen. Mit einem Vorschlag von Gabriel wurde ein parteiinterner Streit entschärft und auch je ein Vertreter aus den fünf ostdeutschen Landesverbänden und Berlin auf aussichtsreiche Plätze gewählt - ostdeutsche Vertreter hatten sich über eine Benachteiligung beschwert.

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