Sozialdemokraten raffen sich zu Sondierungen auf

Schwere Geburt: Nach langem Hin und Her entscheidet sich die SPD für das Sondieren über eine Regierung mit der Union.

 Auf ihn kommt es nun an: SPD-Vorsitzender Martin Schulz hat in den kommenden Wochen viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Auf ihn kommt es nun an: SPD-Vorsitzender Martin Schulz hat in den kommenden Wochen viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Foto: Michael Kappeler

Berlin. Nach der Bundestagswahl vor vier Jahren war die große Koalition um diese Zeit bereits perfekt. Am Freitag rang sich die SPD-Spitze erst einmal zu Sondierungen mit der Union über die Möglichkeit einer „Groko“ durch. Selbst, wenn am Ende alles glatt liefe, dürfte eine neue Regierung nicht vor dem nächsten Frühjahr stehen.

Um Punkt 14.30 Uhr ließ SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles am Freitag das Ergebnis der stundenlangen Beratungen von Präsidium und Vorstand schriftlich verkünden: Man habe „einstimmig beschlossen, Sondierungsgespräche mit CDU/CSU aufzunehmen“. Man werde „offen und konstruktiv in die Sondierungen gehen“, hieß es in ihrer Pressemitteilung nüchtern. Genau zur selben Zeit sollte SPD-Chef Martin Schulz eigentlich schon vor den Kameras im Willy-Brandt-Haus stehen, um die gleiche Ansage zu machen. Doch sein Auftritt verzögerte sich. Und so war die praktisch von allen genauso erwartete Nachricht bereits offiziell in der Welt.

Schulz sah seine Aufgabe dann darin, eine mögliche Neuauflage der großen Koalition noch längst nicht als Gewissheit zu verkaufen. „Ob die Gespräche in eine Regierungsbildung münden, ist offen“, erklärte er. Und überhaupt gebe es da ja „unterschiedliche Modelle, die wir für gleichrangig halten“. Gemeint war die Option einer reinen Minderheitsregierung der Union, aber auch eine „Koko“, also eine „Kooperations-Koalition“, in der die SPD zwar Minister stellt, aber nur bei bestimmten Projekten kooperiert und sich ansonsten nach anderen Mehrheiten im Bundestag umschauen darf.

Freilich ist diese Kopfgeburt des linken SPD-Flügels von CDU und CSU längst verworfen worden. Andreas Scheuer, der Generalsekretär der Christsozialen bekräftigte das am Freitag noch einmal: „Wir müssen uns zusammensetzen und zügig eine Lösung finden.“ Dabei könne es nur um die Konstellation einer schwarz-roten, also einer echten Koalition gehen, meinte Scheuer am Freitag.

Derweil versprach Schulz zumindest eine seriöse Verhandlungsführung. Es werde „keine Balkonbilder“ geben wie bei den verpatzten Jamaika-Verhandlungen und auch „kein intensives Twittern von Zwischenständen aus den Arbeitsgruppen“. Informiert werden solle erst bei konkreten Ergebnissen.

Dass sich nach dem Treffen der Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und Union am letzten Mittwoch alle an die vereinbarte Diskretion gehalten hatten, wertete Schulz schon mal als „stilbildend“ für die weiteren Unterredungen. Die sollen dann allerdings in einem größeren Kreis geführt werden. Jeweils zwölf Unterhändler von SPD, CDU und CSU werden dabei voraussichtlich zusammenkommen. Macht also 36. Bleibt abzuwarten, ob sich auch ein so großer Kreis der Verschwiegenheit verpflichtet fühlt.

Am kommenden Mittwoch ist aber erst noch mal ein Treffen in kleiner Runde geplant. Danach könnte es auch mehr Klarheit über die weiteren Termine geben. Einstweilen lautet die Marschrichtung, „Anfang Januar“ mit den Sonderungen zu beginnen. Da die CSU-Landesgruppe in der ersten Januar-Woche ihre Klausur abhält, wird es vor dem 8. Januar aber kaum zur Sache gehen.

Nach dem vorläufigen SPD-Fahrplan soll bereits sechs Tage später ein Sonderparteitag darüber abstimmen, ob im Lichte der Sondierungsergebnisse tatsächlich mit dem Ziel einer großen Koalition weiter verhandelt wird. Dazu soll der Parteivorstand laut Schulz einen „präzisen Vorschlag“ machen. Wie lange es dann noch dauert, steht dahin. Zwischen Bundestagswahl und Regierungsbildung lagen 2013 knapp drei Monate. Es dürfte also Frühjahr werden. Schließlich gibt es inhaltliche Knackpunkte zuhauf, von der umstrittenen Bürgerversicherung über das Kooperationsverbot im Bildungswesen bis hin zur Bekämpfung von Wohnungsmangel und Mietwucher.

Seine Weihnachtsferien hat Schulz nach eigenen Worten deshalb auch abgesagt. Es gehe „um viel, wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt“, meinte der SPD-Chef.

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