Analyse So verlief Merkels erste Regierungserklärung nach der Bundestagswahl

Berlin. Nach rund acht Monaten Abstinenz erlebt der Bundestag am Donnerstag wieder eine Regierungserklärung von Angela Merkel (CDU). Es ist zugleich ihr erster parlamentarischer Auftritt als geschäftsführende Kanzlerin.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht im Deutschen Bundestag und gibt eine Regierungserklärung zum informellen Europäischen Rat ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht im Deutschen Bundestag und gibt eine Regierungserklärung zum informellen Europäischen Rat ab.

Foto: Wolfgang Kumm

Die von vielen erwartete scharfe Konfrontation mit der AfD bleibt allerdings aus — im Hohen Haus geht es eher diszipliniert zu.

Angela Merkel steht schon seit rund 15 Minuten am Rednerpult, als ein AfD-Abgeordneter nicht mehr länger an sich halten kann: „Bravo“, ruft er in den Saal. Das Lob gilt freilich nicht der Kanzlerin selbst, sondern ihrer bedauernden Feststellung, dass Großbritannien im März des kommenden Jahres die EU verlassen werde. Europa, das ist das Thema von Merkels Rede einen Tag vor dem EU-Sondergipfel, der sich mit den Folgen des Brexits und der weiteren Finanzplanung der Gemeinschaft beschäftigen will. Merkel spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Chance“, den alten Kontinent gewissermaßen neu aufzustellen. „Ich will ein handlungsfähiges, ein solidarisches, ein selbstbewusstes Europa“, erklärt Merkel. Dazu gehört für sie auch ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen sowie ein verstärkter Kampf gegen Schlepper und Schleuser. Überhaupt spricht Merkel lang und breit über das Thema Migration, wohl um der AfD hier etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Kanzlerin bekräftigt allerdings auch ihre Forderung nach einem europäischen Asylsystem, bei dem die Flüchtlinge „fair“ auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt werden müssten. Und sie geht mit Blick auf die gegenteilige Haltung insbesondere osteuropäischer Staaten sogar so weit, eine Neuverteilung der europäischen Strukturfonds-Hilfen von deren Aufnahmebereitschaft abhängig zu machen.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wirft Merkel deshalb „politische Erpressung“ vor. „Es gibt keine nationale Pflicht zur Buntheit“, sagt Gauland. Auch Co-Fraktionschefin Alice Weidel sucht die Kanzlerin bei der Finanzfrage zu packen. In der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD findet sich der Satz: „Wir sind zu höheren Beiträgen zum EU-Haushalt bereit“. Weidel sieht darin einen Beleg für die Preisgabe deutscher Souveränität zugunsten Brüssels und ein Geschenk für die „ohnehin überbezahlten EU-Bürokraten“. Anders als bei früheren Plenardebatten hält sich die provokante Wirkung der AfD-Redner allerdings ziemlich in Grenze. Was daran liegt, dass man sich in den anderen Fraktionen an diesem Tag schlicht nicht provozieren lassen will. Mit einer beschwichtigenden Geste dreht sich Unionfraktionschef Volker Kauder kurz nach hinten zu den Seinen um - nur nicht aufregen über die AfD, soll das heißen.

Und die Sozialdemokaten? Sind sie schon ganz im Fahrwasser einer neuen Groko? Während Merkel über weite Strecken die wirtschaftlichen Erfolge der EU preist, konzentriert sich SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles auf die Defizite der Gemeinschaft: viele Ungleichheiten, Steuerdumping, hohe Jugendarbeitslosigkeit vor allem im Süden der EU, und dass sich dass alles endlich ändern müsse. Damit referiert Nahles praktisch das Europa-Kapitel des ausgehandelten Koalitionsvertrages. Der Name Martin Schulz kommt der designierten Parteichefin allerdings nicht über die Lippen. Dabei hatte der Bis-eben-noch-Vorsitzende die Federführung bei den Europa-Passagen. Am Ende ist es Katrin-Göring-Eckardt von den Grünen, die Schulz dafür lobend erwähnt. Merkel hat damit ohnehin kein Problem. In der Vereinnahmung sozialdemokratischen Gedankenguts ist sie bekanntlich eine Meisterin.

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