Angebliche "Spring doch"-Rufe von Anwohnern Polizei und Bürgermeister widersprechen sich bei Suizid von Flüchtling

Erfurt. Die Polizei in Thüringen hat eine hetzende Stimmung während eines Suizids eines jungen Flüchtlings in Schmölln bestritten. „Wir haben dort keine Person brüllen hören oder ähnliches“, sagte ein Sprecher der Landespolizei am Sonntag.

Bürgermeister Sven Schrade (SPD) steht vor dem Rathaus in Schmölln.

Bürgermeister Sven Schrade (SPD) steht vor dem Rathaus in Schmölln.

Foto: arifoto UG

Eine vom Schmöllner Bürgermeister als Quelle für die Aussage, es sei zu „Spring doch“-Rufen gekommen, genutzte Frau habe auf Nachfrage der Polizei sehr zurückhaltend und im Konjunktiv geantwortet.

Schmöllns Bürgermeister Sven Schrade (SPD) hatte auf einer Pressekonferenz am Samstag und auf seiner Facebook-Seite berichtet, es sollen „Spring doch“-Äußerungen gefallen sein. Außerdem hätten ihn Bildaufnahmen erreicht, „die den Jungen auf dem Fensterbrett sitzend zeigten, versehen mit unbegreiflichen Kommentaren“.

Der Polizeisprecher sagte hingegen, die Polizei und Feuerwehrleute vor Ort hätten während ihres mehrstündigen Einsatzes keine Rufe gehört und es sei auch kein besonderer Auflauf an Schaulustigen gewesen. Allerdings seien in dem Tatort, einem Plattenbau, sehr viele Balkone und natürlich immer Menschen, die irgendetwas rufen könnten.

Die vom Bürgermeister genutzte Quelle habe auf Polizeinachfrage gesagt, sie wisse von jemandem, der sinngemäß gehört haben wolle, dann soll er doch springen. Der Polizeisprecher sagte, schon wegen der vielen Konjunktive der Frau wisse er nicht, was tatsächlich gehört wurde. Er könne aber nicht definitiv ausschließen, dass tatsächlich so etwas gefallen sei.

Der kurz vor seinem Tod aus einer psychischen Behandlung entlassene, nach unterschiedlichen Angaben entweder 15 oder 17 Jahre alte Flüchtling aus Somalia, hatte sich am Freitag aus einem 5. Stock eines Plattenbaus in den Tod gestürzt. Der Jugendliche sprang neben ein von der Feuerwehr gespanntes Sprungtuch.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte den Fall in Berlin „menschenverachtend“. „Ich finde es unfassbar, wie Verzweifelten und Schutzsuchenden in diesen Zeiten Hass und Verachtung entgegenschlägt. Wer so handelt, hat von Menschenwürde und unserem Grundgesetz nichts verstanden.“ ran/gw/AFP

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