Pöbeleien in der Notaufnahme nehmen zu

Durch die wachsende Zahl an Patienten verlängern sich auch die Wartezeiten. Pflegepersonal und Ärzte sehen sich häufig Aggressionen ausgesetzt.

Pöbeleien in der Notaufnahme nehmen zu
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Düsseldorf. Der Patientenansturm auf die Notaufnahmen der Krankenhäuser wächst — und mit ihm die Wartezeiten der Patienten. Die Klage über zunehmende Bagatellfälle, die besser beim Hausarzt zu den üblichen Sprechzeiten aufgehoben wären, geht einher mit Berichten über wachsende Aggression bis hin zu Gewalttaten. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), hat schon Sicherheitskräfte für große Notfallambulanzen gefordert, um Pflegepersonal und Ärzten mehr Sicherheit zu bieten.

An der Universitätsklinik Düsseldorf steigt die Zahl der Patienten in der zentralen Notaufnahme derzeit um etwa sieben Prozent jährlich. Das verlängert entsprechend die Wartezeiten, vor allem für die Menschen mit Bagatellerkrankungen, „da in Notaufnahmen die Dringlichkeit einer Behandlung über die Reihenfolge der Versorgung entscheidet“, sagt Sprecherin Susanne Dopheide.

Die zentrale Notaufnahme der Uniklinik arbeitet schon seit ihrer Einrichtung mit dem hauseigenen Sicherheitsdienst zusammen. Eigentlich dient das der Deeskalation. Es komme aber regelmäßig zu verbalen Übergriffen gegen das Personal, so die Sprecherin. „Körperliche Übergriffe sind selten, kommen aber vor.“ Dann schaltet der Sicherheitsdienst die Polizei ein. Dopheide bestätigt: „Die steigende Inanspruchnahme und die damit verbundenen langen Wartezeiten spielen dabei eine Rolle.“

Auch wenn die meisten Kliniken keine genaue Statistik über Gewalt und Aggressionen in den Notfallaufnahmen führen, kann Sprecher Jörn Grabert ähnliche Erfahrungen für das Helios-Universitätsklinikum in Wuppertal bestätigen: „Im Notfallzentrum kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, bei denen aggressives Verhalten eine Rolle spielt. Das Personal vor Ort stellt auch fest, dass es hier eine Zunahme gibt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen erst, die Situation zu entschärfen. Gelingt das nicht, wird die Polizei verständigt.“

Am Krefelder Alexianer-Krankenhaus Maria-Hilf gibt es die Probleme mit Aggression nach der Erfahrung von Martin Dichgans vor allem nachts. „Das sind dann häufig alkoholisierte Patienten“, sagt der ärztliche Leiter der Notaufnahme. Weil dem Krankenhaus auch eine psychiatrische Klinik angeschlossen ist, tauchen in der Notaufnahme auch Fälle von Drogenabhängigkeit oder Tablettenvergiftungen im Zuge von Suizidversuchen auf. Körperliche Gewalt trete aber nur vereinzelt auf. „Das ist in Brennpunkten wie Berlin oder Duisburg häufiger.“

Was bleibt, sind die Pöbeleien gegenüber den Schwestern, wenn die Wartezeit zu lang wird. „Das Krankenhaus wird verstärkt zum Praxisersatz, vor allem am Wochenende und abends. Aber wir sind keine Praxis. Dafür ist auch kein Personal da.“ Die Einteilung der Patienten erfolge anhand eines hinterlegten Fragenkatalogs, um die Schwere der Erkrankung einschätzen zu können. Am Ende der Skala weiß Dichgans auch von Mückenstichen im Sommer und kleinen Schnitten im Finger zu berichten. „Aber wir können keinen Patienten wieder wegschicken. Wir müssen uns bei jedem einzelnen angucken, ob es wirklich eine Lappalie ist.“

BÄK-Präsident Montgomery fordert daher zur Entlastung die verstärkte Einrichtung von Portalpraxen an den Krankenhäusern, in denen über die weitere Behandlung der Patienten entschieden werden könne. Partner wäre dafür die Kassenärztliche Vereinigung. „Wir würden uns das auch wünschen“, sagt Dichgans für das Maria-Hilf. Der Pferdefuß dabei: Für die Krankenhäuser, die nicht zum Zuge kommen, ist das ein Wettbewerbsnachteil. Denn sollte ein Patient in der Portalpraxis doch eine Einweisung benötigen, kommt natürlich das Partnerkrankenhaus zum Zuge.

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