Lebensmittelverschwendung Per Gesetz gegen den Wegwerfwahn

Zu viele Lebensmittel wandern immer noch auf den Müll — helfen dagegen neue Vorschriften?

Symbolbild.

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Foto: Arno Burgi

Berlin. Andere Länder machen es vor: In Frankreich, Finnland oder Italien gibt es bereits gesetzliche Vorschriften, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. In Deutschland ist das nicht der Fall. Das zu ändern, darüber ist nun eine Debatte entbrannt.

Jeder Bundesbürger wirft statistisch gesehen pro Jahr 82 Kilogramm Essen in den Müll. Lebensmittel, die nicht immer, aber oft genug noch genießbar sind. Seit Jahren kämpfen Politik und Verbraucherschützer mit Kampagnen („Zu gut für die Tonne“), mit runden Tischen und Internetportalen gegen den Wegwerfwahn. Es gibt darüber hinaus viele Initiativen von Produzenten und Handel, um Lebensmittelverluste zu vermeiden; außerdem kooperieren Supermarktketten eng mit den „Tafeln“ für Bedürftige. Doch bislang scheint der durchschlagende Erfolg ausgeblieben zu sein.

Dem Bundesrat liegt nun ein Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „eine gesetzliche Initiative zur Verringerung der Lebensmittelverluste in Deutschland zu erarbeiten“. Trotz aller Bemühungen würden pro Jahr mindestens elf Millionen Tonnen an Obst, Gemüse und Fleisch weggeworfen. Die Lebensmittelverluste in der Landwirtschaft kämen mit zwei Millionen Tonnen noch hinzu. Dagegen gebe es kein „einheitliches und zielgerichtetes bundesweites Vorgehen“, beklagt NRW in dem unserer Redaktion vorliegenden Papier.

Der Vorstoß soll schon am 10. März auf die Tagesordnung des Bundesrates gesetzt werden. Das rot-grün regierte NRW verweist auf Vorbilder unter den europäischen Nachbarn. So seien in Frankreich Supermärkte ab einer Größe von 400 Quadratmetern verpflichtet, unverkaufte Nahrungsmittel zu spenden. Ein ähnliches Gesetz gelte in Finnland, aber nicht nur für Supermärkte, sondern auch für die Außer-Haus-Verpflegung, für Restaurants, Krankenhäuser und Cafés. Und in Italien seien bürokratische Vorgaben für Lebensmittelspenden abgebaut und steuerliche Anreize für Unternehmen geschaffen worden. Könnte das alles also Vorbild für Deutschland sein?

SPD und Grüne im Bundestag unterstützen den Vorstoß ihrer Parteifreunde in Düsseldorf. „Nur so wird es gelingen, Lebensmittelverluste entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren“, glaubt die Verbraucherexpertin der Grünen, Nicole Maisch. SPD-Fachfrau Elvira Drobinski-Weiß betont, die französische Regelung sei diesbezüglich „ein Schritt in die richtige Richtung. Denn damit wird der Handel in die Pflicht genommen und ein Anreiz zur Vermeidung geschaffen“. Auf wenig Gegenliebe stößt der Plan indes bei der Union: Die Forderung nach einem „Wegwerfgesetz“ sei Augenwischerei und habe etwas von einer „Kühlschrank- und Mülleimerpolizei“, spottet die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann (CDU). „Aufklärung ist das Zauberwort. Ernährung gehört endlich in alle Lehrpläne.“

Der, auf den es ankommt, sieht das genauso: der zuständige Bundesminister Christian Schmidt (CSU). „Der Großteil unserer Lebensmittelabfälle entsteht in den Privathaushalten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen“, so Schmidt zu unserer Redaktion. Er meint die praktische Umsetzung - von der Überwachung bis zur Sanktionierung. Laut Studien sind nämlich die über 40 Millionen deutschen Privathaushalte für 61 Prozent der Abfallmenge verantwortlich. Sein Ministerium, so Schmidt, setze lieber auf „eine nationale Strategie gegen Lebensmittelverschwendung, die alle bereits bestehenden Aktivitäten verzahnt“.

Vom Tisch ist der NRW-Plan damit aber nicht. Folgt der Bundesrat dem Vorstoß, liegt der Druck des Handelns beim Bund. Und der Umgang mit Lebensmitteln dürfte im anstehenden Wahlkampf eine große Rolle spielen.

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