Paul Ziemiak neuer JU-Chef - Klarer Sieg in Kampfabstimmung

Inzell (dpa) - Umbruch in der Jungen Union: 29 Jahre alt, in Polen geboren, Heimat in Nordrhein-Westfalen, kritisch und zugleich um Kompromisse bemüht. Das ist der neue Vorsitzende. Die Ära Mißfelder ist zu Ende.

Paul Ziemiak neuer JU-Chef - Klarer Sieg in Kampfabstimmung
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Die Junge Union hat nach zwölfjähriger Rekordamtszeit von Philipp Mißfelder einen neuen Vorsitzenden: Paul Ziemiak. In einer für die gesamte Union seltenen Kampfkandidatur setzte sich der Landeschef des mächtigen JU-Verbandes Nordrhein-Westfalen am Freitagabend in Inzell klar gegen JU-Bundesvize Benedict Pöttering durch. Ziemiak erhielt 63 Prozent der als gültig gewerteten Stimmen, Pöttering 37 Prozent.

Ziemiak sagte: „Heute beginnt die Zukunft der Junge Union.“ Er bat Pöttering mit auf die Bühne und versicherte nach Monaten des erbitterten Wahlkampfes, beide Lager nun zusammenbringen zu wollen. „Im Team geht es nur“, betonte Ziemiak. Für ihn stimmten 196 Delegierte, für Pöttering 115. Ein Delegierter enthielt sich.

In einer umjubelten Bewerbungsrede hatte Ziemiak zuvor den Delegierten zugerufen: „Wir sind das Land der Möglichkeiten, die Junge Union muss die Organisation der Möglichkeiten sein.“ Und: „Wenn du hart arbeitest, dann kannst du es schaffen - das ist der Geist der Jungen Union.“ Ihre Botschaft sei, dass sie den Staat - und nicht den Menschen verändern wolle. Letzteres sei das Bestreben von Linke und Grünen.

Der 29-Jährige aus Iserlohn zeigte sich dankbar, in einem so sicheren und reichen Land wie Deutschland zu leben und erinnerte an seine Eltern, die 1988 „mit drei Koffern und zwei Kindern als Aussiedler aus Polen“ nach Deutschland kamen.

Pöttering hatte die Junge Union zu mehr Mut auch gegenüber der Union aufgerufen: „Wir sollten jetzt aufstehen und unsere Interessen klar und mutig vertreten. Unsere Schwächen im Auftritt gegenüber der Mutterpartei müssen wir überwinden.“ Er hatte den Delegierten im Falle seiner Wahl eine bessere Beteiligung der Mitglieder versprochen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor an die junge Generation appelliert: „Gestalten Sie Ihr Leben. (...) Veränderung kann zu etwas Wunderbarem führen.“ Sie rief Jung und Alt zum Zusammenhalt auf und stimmte beide Seiten auf große Anstrengungen ein, damit dieser Zusammenhalt nicht „außer Rand und Band“ gerate. Sie pochte erneut auf einen höchst sensiblen Umgang mit Sterbehilfe: „Ich bin überzeugt, dass wir da eine sehr restriktive Haltung haben sollten.“

Mißfelder dankte sie für dessen Rekordamtszeit - und erinnerte zugleich an seinen Ausrutscher 2003. Der heute 35-Jährige hatte damals infrage gestellt, ob 85-Jährige noch auf Kosten der Solidargemeinschaft künstliche Hüftgelenke bekommen sollten. „Du hast nach anfänglichem unglücklichen Start verstanden, dass die Generationen zusammenhalten müssen“, sagte Merkel. Sie lobte, dass die JU heute eine gute Beziehung zur Senioren Union pflege.

Mißfelder sprach mit Blick auf die Abstimmung von einem Experiment. Nach der letzten Kampfkandidatur um den JU-Vorsitz 1973 habe der Verband solche Abstimmungen vermieden. Der neue Vorstand werde nun erst einmal mit Ausgleich beschäftigt sein.

Zu Mißfelders Bilanz gehörte ein kritischer Blick auf die Medien, deren Nachrichtenumschlag sich in den vergangenen Jahren massiv beschleunigt habe. Wer nicht mit kritischen Artikeln über sich leben könne, sei für die Politik ungeeignet. Aber die Reaktionszeiten würden immer kürzer und durch nötige Verkürzungen seien weder für Politiker noch für Journalisten gut.

Die JU ist nach eigenen Angaben mit 117 000 Mitgliedern der größte Jugendverband Europas.

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