Ökumenisches Fest Norbert Lammerts Hunger nach mehr Ökumene

Das Ökumenische Fest in Bochum hat deutlich gemacht: Das Reformationsjubiläum ist auserzählt — aber die Geschichte der Einheit fängt gerade erst an.

Ökumenisches Fest: Norbert Lammerts Hunger nach mehr Ökumene
Foto: Bernd Thissen

Bochum. Die Luft ist raus. Das Ökumenische Fest in Bochum sollte nach dem eindrücklichen Hildesheimer Buß- und Versöhnungsgottesdienst im März das zweite große ökumenische Signal des Reformationsjubiläums werden. Erstmals überhaupt treten der Deutsche Evangelische Kirchentag, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam als Veranstalter auf. Auch der Prominentenanteil ist groß: Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au, ZdK-Präsident Thomas Sternberg, der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx sind nach Bochum gekommen, ebenso Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode, und Starjournalist Hans Leyendecker, Präsident des nächsten Kirchentags 2019 in Dortmund. Den Impulsvortrag hält der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Aber sehen und hören wollen das alles selbst nach offiziellen Angaben gerade einmal 850 Teilnehmer.

 Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) spricht im RuhrCongress Bochum in Bochum auf dem Ökumenischen Fest der Katholiken und Protestanten anlässlich des Reformationsjubiläums 2017.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) spricht im RuhrCongress Bochum in Bochum auf dem Ökumenischen Fest der Katholiken und Protestanten anlässlich des Reformationsjubiläums 2017.

Foto: Bernd Thissen

Man kann die Geschichte von Bochum so erzählen. Dann reiht sich das Fest ohne Festcharakter am Samstag im Ruhr-Congress und weiteren sechs Veranstaltungsorten in der Stadt ein in die Enttäuschungen des Jubiläumsjahres. Seit dem Reformationstag 2016 oder — wenn man die Luther-Dekade hinzuzählt — seit September 2008 brennt die evangelische Kirche ein Dauerfeuerwerk an Jubiläumsaktivitäten ab, mit zahlreichen Glanzlichtern, aber auch einer Reihe von Rohrkrepierern. Die „Kirchentage auf dem Weg“ parallel zum Berliner Kirchentag im Mai zählen dazu, auch die Besucherzahlen der Weltausstellung in Wittenberg blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Das Reformationsjubiläum, das wird in Bochum deutlich, ist auserzählt. Für den Reformationstag am 31. Oktober, nur in diesem Jahr auch gesetzlicher Feiertag, verheißt das nichts Gutes. Aus dem Höhe- und Schlusspunkt der Feiern zu 500 Jahren Reformation könnte ein kirchlicher Stoßseufzer werden: Gott sei‘s gepriesen, dass es endlich vorbei ist!

Es bedarf schon eines unerschütterlich sonnigen Gemüts wie dem von Christina Aus der Au, um den mauen Eindruck von Bochum ins Positive zu wenden. Bei der ursprünglichen Konzeption sei noch nicht absehbar gewesen, wie ökumenisch sich das Reformationsjubiläum insgesamt entwickeln würde. Die Botschaft: Weil alles ohnehin schon so ökumenisch war, hat sich das Fest ein Stück weit überflüssig gemacht. In dem charmanten Ablenkungsmanöver der Schweizer Theologin steckt gleichwohl die zweite Geschichte von Bochum: Im Land der Reformation reden und streiten beide Kirchen intensiv wie nie zuvor über die Einheit.

Auftritt Norbert Lammert. Fünf Jahre ist es her, dass der Katholik den Aufruf „Ökumene jetzt“ initiierte, der bis heute über 9000 Unterzeichner gefunden hat. Schlusssatz: „Als Christen im Land der Reformation stehen wir in der besonderen Verantwortung, Zeichen zu setzen und dazu beizutragen, den gemeinsamen Glauben auch in einer gemeinsamen Kirche zu leben.“ Jetzt steht der gebürtige Bochumer am Rednerpult in seiner Heimatstadt und ist ungeduldig. Er freue sich sehr über die völlig neue Tonlage der Konfessionen untereinander, „die sich auf spektakuläre Weise von allen anderen Reformationsrückblicken der Vergangenheit unterscheidet“. Aber er hege den Verdacht, dass sich die beiden Kirchen „in diesem neuen Zustand längst gemütlich eingerichtet haben“.

Lammert aber will weiter. Differenzen sieht er nur noch im Kirchen- und Amtsverständnis, nicht jedoch im Glauben. „Wenn die Gründe für die Kirchenspaltung nicht mehr bestehen, warum halten wir sie dann aufrecht?“ Der immer wieder verwendete Begriff der „versöhnten Verschiedenheit“ sei eine verdeckte Kapitulationserklärung. „Er verwechselt den Weg mit dem Ziel.“ Da schüttelt Heinrich Bedford-Strohm in der ersten Reihe demonstrativ mit dem Kopf.

Später wird der Ratsvorsitzende von einer ökumenischen Dynamik sprechen, „die von unten und von oben kommt, wie wir es so noch nie hatten“. Lammert habe unterschlagen, dass von „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ die Rede sei — ein Begriff, mit dem es vor über 40 Jahren bereits gelungen war, die unterschiedlichen protestantischen Strömungen zu einen. „Ich halte ihn für einen starken Begriff.“ Gemeint sei eine sichtbare Einheit, auch im gemeinsamen Abendmahl, „bei der aber die Verschiedenheiten nicht in eine große Suppe gerührt werden“. Die Kritik von Norbert Lammert beruhe auf einem Missverständnis.

Auch Kardinal Marx will sich nicht unter „überzogenen Zeitdruck“ setzen lassen — zumal das katholische Weltkirchenverständnis deutsche Sonderwege erschwert. „Aber wir sind über die Kirchenspaltung doch schon längst hinweg.“ Und für die gemeinsame Eucharistie müssten sich alle bewegen, nicht nur die katholische Kirche. Wenige Minuten später schlägt Christina Aus der Au an seiner Seite aber mit Blick auf den 3. Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main doch einen Pflock ein. „Ich glaube, hoffe und wünsche mir, dass wir dann an einem Tisch sitzen.“ Gemeint ist der Abendmahlstisch.

Auf dem Podium hatte Irmgard Schwaetzer zuvor gesagt: „Das konfessionelle Zeitalter ist vorbei.“ Und Norbert Lammert hatte die kirchliche Basis ermutigt, in der Eucharistiefrage auf immer mehr „unauffällige, aber dann auch auffällige Ausnahmen“ zu setzen. Nur zusammen könnten die Christen noch ihre gesellschaftliche Relevanz behaupten, zeigte sich auch Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) überzeugt, Vorsitzender des Diözesanrates im Erzbistum Köln. „Weder Kirche noch Demokratie finden in der Hängematte statt.“

Am Spätnachmittag erlebt der Tag seinen Abschluss mit einem Gottesdienst vor der Kulisse des Bochumer Bergbau-Museums. Das Ökumenische Fest habe den Willen der Christen bewiesen, gemeinsam für diese Welt Verantwortung zu übernehmen, sagt ZdK-Präsident Sternberg, der gerade erst nach zwölf Jahren aus dem NRW-Landtag ausgeschieden ist. „Gleichzeitig haben sie ihre Sehnsucht zum Ausdruck gebracht, diesen Auftrag in deutlich stärkerer Einheit der Kirchen erfüllen zu können.“ Die Geschichte der kirchlichen Einheit — sie hat im Jubiläumsjahr der Reformation gerade erst angefangen.

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