Nato zieht in den Kampf gegen Schleuserbanden

Brüssel (dpa) - Die Nato beteiligt sich am Kampf gegen Schleuserbanden in der Ägäis. Die Verteidigungsminister der 28 Mitgliedstaaten beschlossen, einen unter deutscher Führung stehenden Nato-Marineverband unverzüglich auf den Weg in das Seegebiet zwischen der Türkei und Griechenland zu schicken.

Nato zieht in den Kampf gegen Schleuserbanden
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Er soll dort den Flüchtlingsstrom beobachten und die Aufklärungsergebnisse an die nationalen Küstenwachen weitergeben. Vor allem die Türkei soll so in die Lage versetzt werden, kriminelle Schleuserbanden effektiver zu verfolgen. Menschenrechtler und die Opposition im Bundestag kritisierten die Pläne.

„Das sind etablierte kriminelle Netzwerke, die Millionen aus diesen Menschen herauspressen und an ihnen verdienen und billigend in Kauf nehmen, dass Tausende ertrinken“, kommentierte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Entscheidung. Dies sei nicht länger tolerierbar. US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte: „Hier stehen das Leben und das Schicksal von Menschen auf dem Spiel.“

Nach ersten Planungen kann der Anti-Schleuser-Einsatz noch in diesem Monat beginnen. Der Nato-Marineverband mit dem deutschen Einsatzgruppenversorger „Bonn“ als Führungsschiff wird nach aktuellen Berechnungen lediglich zwei bis drei Tage in die Ägäis brauchen. Spätestens bis zum 24. Februar soll die Einsatzplanung abgeschlossen sein.

Entdecken die Besatzungen der Nato-Schiffe in Seenot geratene Flüchtlinge, sollen diese gerettet und in die Türkei zurückgebracht werden. Die Hilfsorganisation Pro Asyl sprach von „Ausspähung der Ägäis durch die Nato“ und „Beihilfe zur Aushebelung des Asylrechts“. Eine „weitere Eskalation der europäischen Abschottungspolitik“ beklagte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter sprach von „hilflosem Aktionismus“ und einem „Nato-Einsatz zur Flüchtlingsabwehr“. Dieser treibe Schutzsuchende nur auf noch gefährlichere Fluchtrouten, wo dann das Sterben weiter gehe. Die Linke erklärte: „Diese Nato-Mission wird definitiv nicht dem Wohle der Flüchtenden dienen.“

Von der Leyen erklärte: „Wir haben in den vergangenen Monaten erlebt, dass wann immer angekündigt wurde, dass wir verschärft gegen Schlepper vorgehen, diese versuchen, das Vakuum zwischen der Ankündigung und dem Handeln zu nutzen, um noch einmal Tausende Menschen auf diese lebensgefährliche Passage zu pressen.“ Deshalb sei es ganz wichtig, dass der Einsatz zügig beginne.

Die Türkei ist wichtigster Zufluchtsort und auch wichtigstes Transitland für Flüchtlinge aus Syrien. Beim Versuch, von dort nach Griechenland zu kommen, ertranken seit Beginn des Jahres mehr als 340 Menschen. Viele von ihnen wurden von Schleusern auf nicht seetüchtige Boote gelockt.

Die Pläne für den Einsatz gehen auf das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Montag in Ankara zurück. Sie hatten für viele Bündnispartner völlig überraschend die Nato als Partner im Kampf gegen Schleuserbanden ins Gespräch gebracht. Sie wird erstmals in ihrer Geschichte in dieser Form tätig. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, auch die Nato sei mit der „schwersten Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“ konfrontiert.

Einer der schwierigsten Punkte in den Verhandlungen über das Nato-Engagement war der Streit um Hoheitsrechte in der Ägäis zwischen den Bündnispartnern Türkei und Griechenland. Die Auseinandersetzung dauert seit mehr als 40 Jahren an und brachte Griechenland und die Türkei mehrfach nahe an einen militärischen Konflikt - zuletzt 1996. Damals konnte ein Krieg im Streit um zwei Felseninseln in der Südostägäis erst nach Vermittlung der USA abgewendet werden. In der Ägäis werden Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet.

In den Gesprächen gelang es nach Angaben von Diplomaten, den Konflikt soweit wie möglich auszuklammern. Es wurde allerdings vereinbart, dass griechische Schiffe aus dem Nato-Verband nicht in türkische Hoheitsgewässer fahren dürfen und türkische Schiffe nicht in griechische Hoheitsgewässer.

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