Merkel will Dioxin-Streit ein Ende setzen

Berlin/Hannover (dpa) - Im Dioxin-Skandal hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Krach zwischen Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) und dem Land Niedersachsen zur Chefsache gemacht.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag nach dem Streit über eine Informationspanne, die Aufklärung solle vorn stehen. Niedersachsen räumte einen Fehler ein.

Bei der Sondersitzung der Agrar- und Verbraucherminister an diesem Dienstag in Berlin bahnt sich ein Streit über Aigners Forderung nach mehr Bundeskompetenzen an. Merkel hofft auf Zustimmung der Länder zu Aigners Zehn-Punkte-Plan für schärfere Dioxin-Kontrollen. In mehreren Ländern wurde verbotenes Antibiotikum in Tierfutter gefunden.

Aigner kritisiert, dass sie bei einem Besuch in Niedersachsen nicht von der Ausweitung des Dioxin-Verdachts erfuhr. Sie hatte von McAllister personelle Konsequenzen gefordert und ihm ein Ultimatum gestellt. Die Kanzlerin telefonierte mit beiden. Merkel stellte sich indirekt hinter Aigners Kritik. Das Entscheidende sei jetzt die Aufklärung zugunsten der Verbraucher, sagte Seibert.

Aigner wird an diesem Mittwoch voraussichtlich eine Regierungserklärung zum Dioxin-Skandal abgeben. Koalitionskreise bestätigten einen entsprechenden Bericht der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag) über diese Pläne.

McAllister nannte Aigners Vorgehen „ungewöhnlich“ und schloss personelle Konsequenzen auf der politischen Ebene aus. Berlin und Hannover hätten sich aber verständigt, dass es Kommunikationsprobleme gab. Denn Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke hat anders als erst behauptet doch früher von der drohenden Sperrung zusätzlicher Betriebe erfahren. Er habe das ganze Ausmaß zunächst nicht gekannt, sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne. Bei der Untersuchung von Futterfett kam es laut Agrarministerium in einem anderen Land zu einer Panne, indem Proben verwechselt wurden.

In 9 von 21 weiteren Futterfettproben bei Waren der schleswig- holsteinischen Firma Harles und Jentzsch wurde der zulässige Dioxin- Höchstgehalt überschritten, teilte das Agrarministerium mit. Dabei ging es um den Standort Bösel in Niedersachsen. Insgesamt sei bei 94 Proben 39 Mal der Höchstgehalt übertroffen worden. Harles und Jentzsch soll Fett gepanscht haben und gilt als Auslöser des Skandals. Aigner forderte schnelle Aufklärung der Länder über Dioxin- Fälle und bot Hilfe des Bundes an. Beim Krisenmanagement sollen auch Fachleute der EU helfen.

In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurde Viehfutter entdeckt, das mit dem für Nutztiere verbotenen Antibiotikum Chloramphenicol verunreinigt war. Das teilten die Agrarministerien mit. Risiken für Menschen gebe es nicht. Die Ware stammt laut Ministerium in Hannover von einem chinesischen Hersteller und war von einer Firma in Niedersachsen weiterverkauft worden. Je eine Futtermittelfirma in Sachsen-Anhalt und Bayern sowie Unternehmen in Polen, Irland und der Ukraine seien beliefert worden.

Aigner fordert mehr Bundeskompetenz bei Kontrollen, für die die Länder zuständig sind. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) lehnt dies ab. Schleswig-Holsteins Agrarministerin Juliane Rumpf (CDU) will härtere Konsequenzen als Aigner. Sie fordert eine Pflicht zur Zertifizierung für die Futtermittelbetriebe.

Unter allen Ländern zeichnet sich nach dpa-Informationen bei einigen Punkten wie Trennung der Fettproduktion oder Zulassungspflicht für Futtermittelhersteller aber Einigkeit ab. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) sagte den „Ruhr Nachrichten“ (Dienstag), unter den Ländern mit Regierungsbeteiligung von SPD und Grünen gebe es große Geschlossenheit.

Die Lage für Schweine-Mastbetriebe in Schleswig-Holstein hat sich nach Angaben des dortigen Bauernverbands „dramatisch“ zugespitzt. Der Schweinemarkt sei fast zusammengebrochen. Der Schweinepreis war drastisch gesunken. Rund 950 Höfe waren zuletzt noch wegen Dioxin- Verdachts gesperrt. In Deutschland werden zudem Bio-Eier knapp, da die Nachfrage sprunghaft gestiegen ist.

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