Meinung: Verkürzte Arbeitszeit - Kluge Idee der IG Metall

Ginge es nur um die Sechs-Prozent-Lohnforderung der Gewerkschaft, wäre die Tarifauseinandersetzung in der Metall- und Elektroindustrie vermutlich schnell beendet. Ein Plus im Bereich von 3,5 Prozent ist angemessen und auch bezahlbar.

Meinung: Verkürzte Arbeitszeit - Kluge Idee der IG Metall
Foto: Sergej Lepke

Aber die IG Metall will zusätzlich mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit. Befristet sollen 28 statt 35 Stunden in der Woche möglich sein, und zwar mit Rückkehrrecht zur Vollzeit. Außerdem verlangt die Gewerkschaft, dass Beschäftigte, die Kinder erziehen oder Familienangehörige pflegen, trotz verkürzter Arbeitszeit einen Lohnausgleich erhalten. Das löst auf Seiten der Arbeitgeber Empörung aus. Der härteste Tarifkampf seit vielen Jahren droht.

Im Tarifstreit fordert die Gewerkschaft mehr Zeit für Familienbetreuung.

Im Tarifstreit fordert die Gewerkschaft mehr Zeit für Familienbetreuung.

Foto: Holger Hollemann

Ohne Zweifel trifft die IG Metall mit ihrem Vorstoß zur Arbeitszeit den Nerv der Zeit. Inzwischen wünschen sich viele Arbeitnehmer, eine gewisse Zeit weniger zu arbeiten, um sich zum Beispiel mehr in der Familie zu engagieren. Sie möchten aber später ihre volle Stelle wiederhaben. Nur wenige Unternehmen machen das möglich. Meist gibt es Vollzeit — oder Teilzeit für immer. Dabei wächst die Zahl derer, die sich nicht nur über ihren Beruf definieren, für die die Karriere nicht das Maß aller Dinge ist. Sie erwarten von ihrem Arbeitgeber genau das, was er von ihnen erwartet — mehr Flexibilität. Damit die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur eine Phrase bleibt, sondern gelebt wird. Dazu könnte die Forderung der IG Metall einen entscheidenden Beitrag leisten.

Womit die Gewerkschaft allerdings über das Ziel hinausschießt, ist die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich. Wer Kinder erzieht oder Angehörige pflegt, leistet eine Arbeit, deren Wert für unsere Gesellschaft kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. Diese Kosten bei den Unternehmen abzuladen, ist aber der falsche Weg. Es handelt sich dabei um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wenn die Politik diese Leistung belohnen möchte, dann bitte aus Steuermitteln.

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