Analyse Warum 64 Prozent der CDU-Parlamentarier neu sind

Das NRW-Wahlergebnis raubt der Fraktion einiges Wissen. Die Grünen begrüßen derweil nur eine Neue.

 Sie ist stellvertretende Landesvorsitzende der CDU, aber nicht mehr im Parlament:Ina Scharrenbach.

Sie ist stellvertretende Landesvorsitzende der CDU, aber nicht mehr im Parlament:Ina Scharrenbach.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. So unterschiedlich können die Probleme sein: Die Grünen fragen sich nach dem Verlust der Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen, wie eine inhaltliche und personelle Erneuerung möglich sein kann. Unter den noch 14 Abgeordneten gibt es nämlich nur ein einziges neues Gesicht: Berivan Aymaz aus Köln. Bis auf die freiwillig auf ihr Mandat verzichtende Schulministerin Sylvia Löhrmann bleiben die bisherigen Minister und alle anderen Inhaber politischer Spitzenämter Teil der Fraktion.

Die CDU hat derweil damit zu kämpfen, dass durch die großen Erfolge ihrer Direktkandidaten in den Wahlkreisen dringend benötigte Experten für die Regierungsarbeit auf der Strecke geblieben sind. Von der Liste, auf der ein Parteivorstand erwünschte Fachleute oder Quereinsteiger gerne weit vorn ansiedelt, ist deshalb am 14. Mai kein einziger ins Parlament gerückt. „Ich finde das bemerkenswert, dass unsere Fraktion nur aus direkt Gewählten besteht, da setzen die Bürger viel Vertrauen in uns“, sagte Generalsekretär Bodo Löttgen am Wahlabend.

Das ist der neue Landtag von NRW
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Klingt gut, hat aber Nachteile: Der CDU ist zum Beispiel die schulpolitische Sprecherin Petra Vogt abhanden gekommen. Auch die stellvertretende Landesvorsitzende Ina Scharrenbach, die mit Peter Biesenbach und Löttgen die Koalitionsverhandlungen zur Inneren Sicherheit führen soll, hat im neuen Parlament ebenso wenig Platz wie die Integrationsund Familienpolitikerin Serap Güler oder der Haushaltsexperte Hendrik Schmitz.

Es ist ein Vertrauen des Wählers, das die CDU nun ohne manchen altgedienten Experten bestätigen muss. Schnelle Integrationsarbeit in der eigenen Fraktion ist notwendig. Von den 72 CDU-Abgeordneten, die nach der Landtagswahl ins Parlament am Rheinufer in Düsseldorf ziehen, sind 46 neu. Das sind 64 Prozent — normal sind etwa 30 Prozent. Eine Fraktion, die gleichermaßen unerfahren wie wissbegierig scheint, kommt da also. Aber sie ist eben auch nur schwerlich sofort in die Regierungsverantwortung zu hieven. Hinter vorgehaltener Hand ist man sich in der Fraktion klar, dass nur wenige aus den eigenen Reihen in den kommenden sechs Wochen der Koalitionsverhandlungen für ein Ministeramt infrage kommen.

Der parlamentarische Geschäftsführer Lutz Lienenkämper, der als Ex-Verkehrsminister für ein Ministeramt zur Verfügung stehen könnte, sucht das Positive: „Wir haben eine sehr motivierte Mannschaft, die darauf brennt, unser Land zu gestalten.“ Ein so großer Wechsel bei den Abgeordneten bringe „automatisch viele neue Ideen in die Fraktion, auch wenn die Abschiede von den alten Kollegen natürlich schmerzen“.

Klar ist aber: Wer jetzt aus den eigenen Reihen noch Minister wird, nimmt gerne auch noch seinen zuständigen Referenten mit — und entzieht der Fraktion damit weiteres Wissen. Die muss sich mit der Konstituierung des Landtags am 1. Juni neu aufstellen und kann erst dann verteilen und den Wissenstransfer einleiten, wenn klar wird, wie die Ausschüsse zugeschnitten werden. Dass die CDU-Fraktion darüber hinaus sensibel geführt werden muss, weil man mit der FDP in NRW künftig nur eine Regierungsmehrheit von einer Stimme hat, ist klar. Als Favoriten für die neue Chefrolle in der Fraktion als Nachfolger von Armin Laschet gelten Ex- Generalsekretär Hendrik Wüst und der amtierende Generalsekretär Bodo Löttgen.

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