Glaube Landeskirche markiert rote Linien

Die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland grenzt sich von nationalem Glaubensverständnis ab und setzt auf die Ökumene.

Glaube: Landeskirche markiert rote Linien
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Bad Neuenahr. Manfred Rekowski, so scheint es, ist nicht ganz so leicht aus der Ruhe zu bringen. Aber an einer Stelle wurde der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (Ekir) auf der Landessynode in Bad Neuenahr für seine Verhältnisse geradezu impulsiv. „Jesus taugt nicht ansatzweise als Kronzeuge nationaler Identität“, verwahrte sich Rekowski gegen Versuche, den christlichen Glauben als politischen Kampfbegriff gegen Flüchtlinge oder andere Religionen in Stellung zu bringen. „Eine Infragestellung oder Relativierung der Gleichwertigkeit aller zum Ebenbild Gottes geschaffener Menschen nehmen wir nicht hin.“

Zugleich forderte der rheinische Präses im Zusammenhang mit islamistischen Terroranschlägen wie in Berlin „innermuslimische Klärungen und Abgrenzungen“ ein: Wenn bundesweit derzeit 90 Moscheevereine vom Verfassungsschutz beobachtet würden, zeige sich, „dass der soziale Frieden unseres Landes gefährdet wird, wenn hier Diffusität entsteht“.

Auch die Kirche müsse sich verstärkt damit auseinandersetzen, warum nach einer Bertelsmann-Studie 57 Prozent im Osten und 49 Prozent im Westen Deutschlands den Islam als bedrohlich bewerten. Rekowski bezeichnete es aber als „geradezu unanständig“, dass Teile der Gesellschaft sich jetzt an der Religion und der Kultur jener Menschen störten, die über Jahrzehnte „um der wirtschaftlichen Entwicklung und um unseres Wohlstandes willen“ ins Land geholt worden seien.

Wie positioniert sich die evangelische Kirche im Superwahljahr? „Niemand ist verpflichtet, seine politischen Positionen christlich zu begründen“, sagt Rekowski. Aber wer es tue, müsse sich auch nach seinem Fundament fragen lassen. „Es gibt auch so etwas wie ein falsches Zeugnis.“ Schon vor der Synode hatte er von „roten Linien“ gesprochen. Auseinandersetzung mit der AfD soll es geben, über jedes hingehaltene Stöckchen will die Kirche dabei aber nicht springen, sondern eigene Themenschwerpunkte einfordern.

Eines davon ist die soziale Gerechtigkeit. Fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche waren 2015 auf staatliche Grundsicherung angewiesen — für den Präses eine Dimension, die dauerhaft zu einer gespaltenen Gesellschaft führen kann. „Wir brauchen einen politischen Streit um tragfähige Lösungen“ — auch, um Radikalen und Populisten nicht das Feld zu überlassen.

Die 210 Synodalen der Landessynode, oberstes Leitungsgremium der rheinischen Landeskirche, tagen noch bis einschließlich Freitag unter dem rheinischen Reformationsmotto „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“. Zentrale Botschaft des Treffens im Jubiläumsjahr der Reformation: Veränderung sei nicht nur eine Frage von Finanzen und Strukturen in Zeiten des Rückgangs, sondern Wesensmerkmal einer reformatorischen Kirche.

Der theologische Ausschuss unter Leitung der Solinger Superintendentin Ilka Werner hat dazu einen Impuls veröffentlicht, der die vier zentralen Begriffe Martin Luthers (Jesus Christus, Gnade, Glaube, Bibel) „kurz und knackig“ und in alltagstauglicher Sprache auf ihre heutige Brauchbarkeit abklopfen will. Werner selbst bezeichnete das Ergebnis als „Müsliriegel des Glaubens“. Ein vielfältiger Einsatz in Schule, Konfirmanden- und Gemeindearbeit wird im Internet angeregt.

Aber so sehr die rheinische Landeskirche derzeit im Zeichen von 500 Jahren Reformation steht, so sehr setzen sich in Bad Neuenahr auch die ökumenischen Bemühungen fort. „Ich rechne mit deutlichen Entwicklungen und Sprüngen nach vorne“, sagt der Wuppertaler Rekowski und weiß sich damit eins mit dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der zum Auftakt der Synode gleich drei Auftritte hatte und dabei erklärte: „Es wächst die Erkenntnis, dass wir Christen nur gemeinsam stark sind.“

Rekowski nutzte dafür unter anderem das Schlagwort der „Ökumene unter einem Dach“. Die gemeinsame Nutzung von Gebäuden müsse analog zu Wohngemeinschaften nicht „gesinnungshomogen“ erfolgen. Aktuell gibt es Pläne für ein ökumenisches Zentrum in der bisher katholisch genutzten Kirche „Zur Heiligen Familie“ in Mettmann-Metzkausen. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat dazu schon sein Einverständnis signalisiert.

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