Klinikqualität Krankenkassen: Kliniken mit Mängeln werden zum Risiko für Patienten

Zehntausende Infarktpatienten werden laut einer Studie jedes Jahr in Kliniken ohne geeignete Ausstattung behandelt. Minister Gröhe wollte die Klinikqualität verbessern - und bekommt von den Kassen schlechte Noten.

Führen Krankenhäuser bestimmte Eingriffe nur selten durch, steigt das Todesrisiko für Patienten. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Führen Krankenhäuser bestimmte Eingriffe nur selten durch, steigt das Todesrisiko für Patienten. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Foto: Daniel Bockwoldt

Berlin. Zehntausendfach werden Schwerkranke in Deutschland laut Krankenkassen und Experten in mangelhaft ausgestatteten Kliniken behandelt und großen Risiken ausgesetzt. So würden jährlich 22 000 Patienten mit Herzinfarkt in Krankenhäuser ohne Herzkatheterlabore eingeliefert, sagte AOK-Chef Martin Litsch am Donnerstag in Berlin unter Berufung auf die wissenschaftliche Erhebung „Qualitätsmonitor 2017“.

Die Betroffenen seien zuletzt in einem Jahr in jenen 40 Prozent der Kliniken behandelt worden, die nicht über solche Labore für die genaue Untersuchung der Herzkranzgefäße verfügten. Laut Litsch ist das nur ein Beispiel von vielen für mangelnde Qualität deutscher Krankenhäuser.

Litsch stellte auf einer AOK-Veranstaltung der jüngsten Klinikreform von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in diesem Punkt ein schlechtes Zeugnis aus: „Das erklärte Ziel des qualitätsorientierten Umbaus ist noch nicht so richtig in Fahrt gekommen.“ Vor allem behandelten noch viel zu oft Krankenhäuser mit vergleichsweise wenig Erfahrung in bestimmten Bereichen entsprechende Patienten.

Der Kassen-Spitzenverband forderte klarere Regeln, um Risiken für die Patienten zu minimieren. „Die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt die Kliniken gut für ihre Leistungen - dafür können die Patientinnen und Patienten auch erwarten, dass einzelne Kliniken Operationen und Behandlungen nicht durchführen, wenn sie im konkreten Fall dafür ungeeignet sind“, sagte der Vizechef des Verbands, Johann-Magnus von Stackelberg, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wo dies nicht freiwillig passiert, muss zum Beispiel durch die verbindliche Vorgabe von Mindestmengen dafür gesorgt werden.“ Das sind Untergrenzen von Behandlungszahlen in bestimmten Bereichen. Wichtig seien Spezialisierung und Erfahrung, so von Stackelberg.

Gröhe versicherte auf dem AOK-Kongress: „Wir wollen die Qualität weiter vorantreiben.“ Er verwies ebenso wie der AOK-Chef darauf, dass ein weiteres Ziel der Klinikreform erreicht worden sei - nämlich mehr Geld für die Krankenhäuser.

Gröhe wollte mit seinem 2016 in Kraft getretenen Krankenhausstrukturgesetz Qualität zum Kriterium bei der Krankenhausplanung machen. Doch die für diese Planung zuständigen Länder, so der AOK-Chef, weigerten sich, das umzusetzen.

Der Gesundheitsexperte der Linksfraktion, Harald Weinberg, warf Gröhe vor, sich wahlkampfgerecht für eine untaugliche Krankenhausreform feiern zu lassen. „Die Reform führt dazu, dass ein Krankenhaus am besten fährt, wenn möglichst wenig Personal möglichst viele und möglichst schwere Operationen durchführt.“

Viele Kliniken behandelten Patienten in Bereichen, in denen sie weniger Erfahrungen als andere Häuser haben, sagte der Klinikexperte Marcel Weigand der Deutschen Presse-Agentur. In Krankenhäusern mit wenig Erfahrung steige das „Letalitätsrisiko“ dramatisch, so Weigand - also die Gefahr zu sterben. Weigand ist Projektmanager der „Weissen Liste“, eines von der Regierung unterstützten Portals mit Infos zur Klinikqualität unter dem Dach der Bertelsmann-Stiftung. Es gebe viele Vorgaben an Krankenhäuser, sie würden aber oft ignoriert, sagte er. dpa

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